In Deutschland sind sie noch nicht sehr verbreitet: Radschnellwege. Das könnte sich ändern. Für Berufspendler wären sie eine umweltfreundliche, nervenschonende und kostengünstige Alternative zum Auto.

Sprecher:
Dänen kennen sie, Belgier, Schweizer und Niederländer auch: Fahrradschnellwege. Sie sind wie Radwege extra gekennzeichnet und ermöglichen ein schnelles Vorankommen – in der Regel ohne Ampeln. Im Vergleich zu Autofahrern sind Radfahrer zwar heute schon schneller, denn während Autofahrer auf dem Weg zur Arbeitsstelle den täglichen Stau fest einplanen müssen, fahren Radfahrer an den stehenden Fahrzeugen vorbei. Mit Radschnellwegen wären sie aber noch schneller. Reine Fahrradstraßen wie in den erwähnten Nachbarstaaten findet man in Deutschland allerdings kaum. Bettina Cibulski, ehemalige Pressesprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, lebt in Bremen und fährt täglich insgesamt zehn Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit und zurück. Sie meint, Verkehrsplaner in Deutschland könnten sich diese Länder zum Vorbild nehmen:

Bettina Cibulski:
„Also, ich glaub’, was man von denen sehr gut abschauen kann, ist, dass die, wenn’s darum geht, Verkehr zu planen, daran denken, was mach’ ich denn mit den Radfahrern. In Deutschland ist es oft so, da wird ‘ne Straße gebaut oder irgendwas. Und dann stellt man irgendwann fest: ‚Ach so, Radfahrer gibt’s ja auch noch. Die müssen wir auch noch irgendwo unterbringen.‘ Und da ist es so, von vornherein wird einfach geguckt, was ist für jeden Verkehrsteilnehmer das Beste sozusagen, und dann wird das entsprechend durchgeplant – also mit allem.“

Sprecher:
Bettina Cibulski findet, dass Verkehrsplaner in Deutschland bei der Straßenplanung und dem Bau von Straßen nur an Autofahrer denken. Erst später würden sie bemerken, dass ja auch sehr viele Menschen mit Fahrrädern unterwegs sind, und dass auch sie berücksichtigt werden müssen. Sie müssen – wie Bettina Cibulski es umgangssprachlich formuliert – irgendwo untergebracht werden. Anders ist das in den erwähnten deutschen Nachbarstaaten. Von ihnen kann man nach Ansicht von Bettina Cibulski etwas lernen, man kann sich etwas von ihnen abschauen. Denn dort wird bei der Planung von Anfang an, von vornherein, überlegt, wie Verkehrswege gebaut werden müssen, um jedem Verkehrsteilnehmer gerecht zu werden. Es wird vollständig, bis ins Einzelne geplant, es wird durchgeplant. Bettina Cibulski begrüßt daher Überlegungen deutscher Landesregierungen wie etwa der nordrhein-westfälischen oder der hessischen, Radschnellwege zu bauen:

Bettina Cibulski:
„Grundsätzlich ist das super, weil das natürlich genau auf so Menschen zielt, die ‘n Arbeitsweg haben, der länger ist als meiner, nämlich eben so ab zehn Kilometer aufwärts. Die jetzt nicht mit dem Fahrrad fahren, weil das natürlich relativ lange dauert, wenn man immer wieder anhalten muss, wenn man rote Ampeln hat. Und wenn ich so ‘n Schnellweg hab’, auf dem ich einmal so durchfahr’n kann, dann komm’ ich sehr schnell voran. Und dann ist das tatsächlich auch wirklich eine attraktive Alternative.“

Sprecher:
Bettina Cibulski meint, dass Radschnellwege besonders für Berufspendler eine attraktive Alternative wären, eine Möglichkeit, die einen besonderen Anreiz darstellt. Sie wären die Gruppe, auf die ein entsprechendes Angebot zielen würde. Und besonders diejenigen unter ihnen, die einen längeren Weg zur Arbeit haben, könnten dann das Fahrrad nutzen. „Länger“ bedeutet für Bettina Cibulski die Entfernung, die über den zehn Kilometern liegt, die sie selbst fährt. Hierfür verwendet sie die in der Alltagssprache gängige Wendung „ab“ plus „aufwärts“. Diese wird bei Zahlenangaben verwendet und bedeutet, dass etwas über einer genannten Zahl liegt und diese einschließt. Die Einstellung von Bettina Cibulski kann der Verkehrsforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen nicht ganz teilen. Für ihn bestehen beim Thema, das Rad für den Weg zur Arbeitsstelle zu nutzen, zwei Einschränkungen:

Michael Schreckenberg:
„Erst mal: das Fahrradfahren ist doch stark wetterabhängig. Wenn man jetzt im Sommer fahren kann, dann ist das eine schöne Sache, das macht auch Spaß. Nur wenn man das Ganze sich im Winter betrachtet, sieht es ganz anders aus. Das heißt also, da kann ich dann auch nicht einfach im Anzug oder in meiner sonstigen Dienstkleidung durch Regen, Schnee, eventuell über Glatteis fahren. Da muss man dann also wirklich sich wieder umorientieren. Zudem sind das dann zum Teil doch erhebliche Distanzen, die man zurücklegen müsste.“

Sprecher:
Die Einschränkungen sind für Michael Schreckenberg das Wetter und die Entfernung zum Arbeitsplatz. Anders als für Autofahrer spielt es für Radfahrer eine größere Rolle, welches Wetter herrscht. Sie sind wetterabhängig. Denn bei Regen und im Winter ist besondere Schutzkleidung notwendig, bei Glatteis kann man kein Rad fahren. Diejenigen, die etwa im Anzug mit dem Rad zur Arbeit fahren, müssen dann laut Michael Schreckenberg eine Alternative finden, sie müssen sich umorientieren. Eine weitere Einschränkung für Rad fahrende Berufspendler ist für Michael Schreckenberg die Distanz. Denn wer einen weiten Weg hat, kommt dann verschwitzt am Zielort an – wenn er ein normales Fahrrad benutzt. Eine Alternative wäre nach Ansicht von Bettina Cibulski die Nutzung eines Elektrofahrrads, eines E-Bikes:

Bettina Cibulski:
„Das ist ‘ne Fortbewegungsart oder ‘ne Fahrradart, die boomt so stark. Wirklich jedes Jahr steigen die Verkaufszahlen in gigantische Höhen, sag’ ich jetzt mal. Es gibt etwa eine Million E-Bikes auf deutschen Straßen. Ich gehe schon sehr davon aus, dass sich das in den nächsten Jahren mindestens verdreifachen wird. Aber wahrscheinlich werden Menschen sich E-Bikes kaufen, die sonst wahrscheinlich nicht Rad fahren würden.“

Sprecher:
In Deutschland kaufen sich Menschen, die mit weniger körperlicher Anstrengung Rad fahren und schnell voran kommen wollen, ein E-Bike. Laut Bettina Cibulski ist die Zahl der Käufer sehr stark gestiegen. Um die große Beliebtheit der Elektrofahrräder zu verdeutlichen, verwendet Bettina Cibulski die Wörter boomen und gigantisch. Für Berufspendler wären E-Bikes eine gute Alternative zum konventionellen Fahrrad. Verkehrsforscher Michael Schreckenberg ist allerdings skeptisch, ob der Bau von Radschnellwegen mehr Berufstätige zum Radfahren bewegt:

Michael Schreckenberg:
„Der Verkehr der Zukunft wird sich in großen Bereichen von alleine regeln. Wir stehen kurz vor einem erheblichen demografischen Wandel: Die Bevölkerung nimmt drastisch ab. Die Menschen werden älter und älter. Das heißt, wir werden es mehr mit Menschen über 60, über 65, über 80 zu tun haben in der Zukunft. Das heißt also, der Verkehr wird deutlich runtergehen. Das heißt also, die Hälfte des Verkehrs, den wir haben, ist eigentlich Freizeitverkehr, und der ist flexibel handhabbar.“

Sprecher:
Michael Schreckenberg ist der Meinung, dass bei der Verkehrsplanung auch die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland, der demografische Wandel, berücksichtigt werden muss. Denn die Altersstruktur ändert sich. Künftig werden weniger Menschen sowie mehr ältere als junge Menschen in Deutschland leben. Das bedeutet in den Augen des Wissenschaftlers, dass es weniger Autofahrer, aber auch weniger Radfahrer geben wird. Und die meisten von ihnen werden seiner Meinung nach dann zum Spaß Rad fahren und nicht, um zur Arbeit zu kommen. Es ist Freizeitverkehr. Dieser ist nach Ansicht von Michael Schreckenberg flexibel handhabbar und regelt sich von alleine. Politiker und Verkehrsplaner müssen nicht von außen eingreifen. Der Verkehrsforscher sieht also für die Zukunft keinen wirklichen Bedarf an Radschnellwegen. Ob Städte und Kommunen sich dennoch für den Bau entscheiden, hängt vom Ergebnis sogenannter Machbarkeitsstudien ab. Dabei werden unter anderem Fragen nach Kosten, aber auch nach dem Bedarf berücksichtigt. Ein Radschnellwegenetz in Deutschland wie in manchem deutschen Nachbarstaat ist also weitgehend noch eine Wunschvorstellung.

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