Wer möchte schon gern als provinziell oder als Landei gelten? Aber diejenigen, die „hinter dem Mond“ leben, schätzen das Provinzleben und sind stolz auf ihre Herkunft. Im Alter kehrt manch einer sogar aufs Land zurück.

Element of Crime:
„Ein Blick war ein Versprechen, nichts als Lächeln war die Welt, der Mensch war gut Damals hinterm Mond …“

Sprecher:
1992 brachte die Berliner Musikgruppe „Element of Crime“ ihr fünftes Album auf den Markt: „Damals hinterm Mond“. Der Titel greift eine Redewendung auf, die als Synonym für Menschen verwendet wird, die sich als wenig fortschrittlich zeigen, die hinter dem Mond leben. Dieses Vorurteil trifft auch auf Menschen zu, die auf dem Land großgeworden sind, dort noch wohnen oder im Alter wieder dorthin zurückkehren. Allerdings wohnen nur noch rund 20 Prozent der 82 Millionen Deutschen auf dem Land. Die übrigen 80 Prozent leben in einer Stadt oder einer stadtnahen ländlichen Gemeinde. Bis in die 1980er Jahre war auch das Emsland, ein Gebiet im Nordwesten Deutschlands an der Grenze zu den Niederlanden, rein landwirtschaftlich geprägt. Viele junge Leute zogen jedoch aus unterschiedlichen Gründen weg. Zu ihnen gehörte auch Gerrit. Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist er in Lingen, einem Ort, der rund 200 Kilometer von Hannover entfernt liegt. Der Arbeit wegen ist er aber dann nach Hannover gezogen. Ihn kümmert es nicht, wenn sich seine Freunde über seine Herkunft lustig machen:

Gerrit:
„Meine Wurzeln liegen ja in Lingen, und ich denke nicht, dass, wenn ich mal von Freunden höre, ob ich ‘n Provinzei bin, Landeier, Dorfmenschen, die dann auch Plattdeutsch sprechen – das ist für mich keine Beleidigung. Plattdeutsch ist 'ne schöne Sprache.“

Sprecher:
Gerrit verwendet eine sehr gängige Redewendung, um zu verdeutlichen, dass er sich Lingen verbunden fühlt: Er hat seine Wurzeln dort, er ist dort geboren und aufgewachsen. Allerdings hat er dort „keine Wurzeln geschlagen“, ist dauerhaft dort geblieben. Der Bildhintergrund ist offensichtlich: Bäume und Pflanzen bedürfen der Wurzeln, um fest im Boden zu stehen und Nährstoffe aufnehmen zu können. Die Vorurteile gegenüber Menschen „vom Land“ finden sich auch in Begriffen wie „Provinzei“ oder „Landei“ wieder. Als „Provinz“ galt zu den Zeiten der Römer ein Gebiet außerhalb Italiens, das sie erobert hatten und das von einem römischen Statthalter verwaltet wurde. Wer heute von „Provinz“ spricht, meint damit das Hinterland einer Stadt oder ein Gebiet, das stark von der Landwirtschaft geprägt ist. Kommt jemand aus der Provinz oder – verstärkt – aus der „tiefsten“ beziehungsweise „hintersten“ Provinz und spricht dann auch noch einen Dialekt wie Plattdeutsch, so gilt er als ungebildeter Mensch. Plattdeutsch ist ein Dialekt, der im Norden Deutschlands sowie im Osten der Niederlande gesprochen wird. Das Landleben ist auch durch bestimmte Bräuche geprägt, wie Gerrit erzählt:

Gerrit:
„Das wird ja auch hier auf dem Lande so gemacht: erst wird sonntags schön in die Kirche gegangen, und die Männer gehen danach direkt in die Stammkneipe, und da wird dann ein Frühschoppen getrunken. Da pflegen wir solche Gebräuche natürlich sehr extrem.“

Sprecher:
Zu den Bräuchen auf dem Land gehören laut Gerrit der Besuch des Gottesdienstes am Sonntag und der anschließende Frühschoppen. Das ist ein Treffen, meist von Männern, in einem Wirtshaus am Vormittag, bei dem oft Alkohol getrunken wird und mehr als ein Schoppen. Ein Schoppen entspricht traditionell 0,25 Liter. Die meisten Männer haben ein Wirtshaus, in das sie regelmäßig gehen, eine Stammkneipe. Auch der Künstler Charly Monecke machte seine Erfahrungen mit dem Provinzleben, als er als junger Mann nach Papenburg kam, einem Ort an der Grenze zwischen dem Emsland und Ostfriesland. Vor seinem Tod im Februar 2013 erinnerte er sich:

Charly Monecke:
„Da ist der Hund begraben. Aber das war sogar so, dass ich da so einige Sachen so erlebt habe wie: Dann war ‘n Handschuh vor der Tür – irgendeiner hat da einen fallen lassen, ja. Und dann: ‚Ja, oh, morgen stirbt einer.‘ Der Handschuh, der gehört ja jemandem, nech. Das war die Frau im Hause, wo ich zur Miete wohnte, ne. Solche Sachen konntest du da alles noch erleben.“

Sprecher:
Charly Monecke benutzt eine sehr gängige Redewendung, um zu verdeutlichen, dass auf dem Land kaum etwas passiert, dass es öde und langweilig ist: Da ist der Hund begraben. Die Herkunft der Redewendung ist umstritten. Die gängigste Erklärung ist aber die, dass der Hund symbolisch als Wächter eines vergrabenen Schatzes diente. So wurden früher Schatztruhen zur Abschreckung von Dieben mit dem Bild eines bissigen Hundes versehen. Charly Monecke erlebte auch, dass die Menschen in der Provinz damals sehr abergläubisch waren – wie seine frühere Vermieterin. Charly Monecke verwendet hier eine in der Alltagssprache übliche Formulierung, die eigentlich aus dem süddeutschen Sprachraum kommt: das Adverb „wo“ wird als Relativpronomen benutzt. Der Künstler liebte das Leben in der Provinz. Er lebte, arbeitete und starb in Lingen. Könnte sich Gerrit, der in Lingen aufwuchs, vorstellen, wieder dorthin zurückzukehren?

Gerrit:
„Ob ich wieder zurückziehen würde in die Provinz? Das würde ich eigentlich gerne. Da ich ja aus der tiefen Provinz komme und mich in der Großstadt nicht so sehr wohlfühle, kann ich mir sehr gut vorstellen, wieder zurückzugehen, ja. Aber, gut, man ist halt beruflich gebunden, und der ländliche Mensch sagt dann ja: Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, dann liegt's an der Badehose.“

Sprecher:
Gerrit deutet seine Haltung in der Frage bereits an, indem er die Partikel eigentlich verwendet. Er kann es sich vorstellen, dann folgt jedoch das „aber“: Er arbeitet in der Stadt, ist beruflich dort gebunden. Gerrit benutzt ein Sprichwort, das als Synonym dafür steht, wie Städter früher Bauern betrachtet haben: unter anderem als dümmlich, ungebildet, störrisch und rechthaberisch. Mit dem Sprichwort: „Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, liegt es an der Badehose“ wird unterstellt, dass ein Bauer gern die Schuld bei anderen sucht. Ganz bewusst entschied sich die frühere Lehrerin Roswitha nach ihrer Pensionierung, wieder „in die Provinz“ zurückzukehren. Sie genießt das Leben dort:

Roswitha:
„Was einfach schön ist, wenn man also in die Stadt geht oder über den Markt geht, man vor lauter Grüßen und kleinen Neuigkeiten-Austauschen die Hälfte seiner Einkaufsliste vergisst. Also, da kommt man sich schon manchmal vor wie ‘n bunter Hund. Aber das ist eigentlich für mich ein sehr positives Gefühl. Es ist ‘n Gefühl von Heimeligkeit, Unter-sich-Sein, dass man nicht isoliert ist.“

Sprecher:
Anders als in der Großstadt, kennt man sich im Dorf. Roswitha beschreibt das mit der sehr gängigen Redewendung „wie ein bunter Hund“. Sie ist überall bekannt. Das Bild entstand in der Alltagssprache, weil die meisten Hunde entweder einfarbig oder Mischlingshunde sind. Während manchen Menschen ihr großer Bekanntheitsgrad nicht gefällt, ist das bei Roswitha anders. Sie schätzt es – genauso wie das Gefühl der Heimeligkeit, das das Provinzleben bietet. Dieses Wort umfasst das Gefühl, sich geborgen und wohl zu fühlen. Viele ihrer Freunde kennt Roswitha noch aus der Kindheit. Man ist unter sich, kennt sich sehr gut. Kaum ein Tag vergeht, an dem sie nicht plötzlich unangemeldeten Besuch bekommt. Sie fühlt sich so nicht isoliert – und das ist ein Unterschied des Lebens in der Provinz zu einer oft anonymen Lebensweise in der Stadt.

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