Er gilt als der bedeutendste Musikwettbewerb Deutschlands: „Jugend musiziert“. Jährlich hoffen Schülerinnen und Schüler darauf, beim Bundeswettbewerb zu gewinnen. Zunächst muss jeder aber etwas überwinden …

Sprecher:
Feuchte Hände, rote Wangen, Schweiß auf der Stirn, die Beine zittern. Dieses Lampenfieber vor einem Auftritt kennen viele – auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines der größten Musikwettbewerbe Deutschlands: „Jugend musiziert“. Die Aufregung löst sich in der Regel erst, wenn die Musikerinnen und Musiker damit beginnen, ihre eingeübten Stücke vor einer Fachjury zu spielen. Und das ist heute genau so wie 1964, als der erste Wettbewerb dieser Art durchgeführt wurde – ein Jahr nach der Gründung des Förderprogramms. Benedikt Holtbernd vom Deutschen Musikrat, dem Dachverband aller Musikverbände in Deutschland, erklärt, dass es einen besonderen Grund für die Wettbewerbsidee gab:

Benedikt Holtbernd:
„‚Jugend musiziert‘ ist entstanden aus dem – im Grunde genommen – Bedürfnis einer Nachwuchsförderung für die deutschen Orchester. Das hat sich gewandelt. Es ist nun zu einer Spitzenförderung geworden. Aber gleichzeitig auch zu einer Spitzenförderung eingebettet in eine Breitenförderung.“

Sprecher:
Anfang der 1960er Jahre brauchten die Orchester in Deutschland neue, junge Musikerinnen und Musiker, sie brauchten Nachwuchs. Was als Förderung für Orchestermusiker begann, hat sich aber nach Angaben von Benedikt Holtbernd in den vergangenen Jahrzehnten geändert. Es hat sich gewandelt. Früher ging es vorrangig darum, möglichst viele Musiker zu fördern, also – wie es Benedikt Holtbernd ausdrückt – eine Breitenförderung zu betreiben. Inzwischen wird allerdings zunehmend geschaut, wer sich deutlich von den anderen unterscheidet. Ähnlich wie beispielsweise im Sport wird diejenige oder derjenige besonders gefördert. Diese Spitzenförderung wäre aber nicht möglich ohne die Breitenförderung. Sie ist ihr Bestandteil, ist in sie eingebettet. Nicht jeder Preisträger schafft eine Weltkarriere wie die Geigerin Anne-Sophie Mutter beispielsweise. Allerdings ist ein Preis bei dem Wettbewerb oft hilfreich bei der Bewerbung um einen Studienplatz an einer bestimmten Musikhochschule oder bei prominenten Lehrern. Diese Entwicklung sieht mancher Musiklehrer allerdings kritisch:

Musiklehrer:
„Heute werden auf technischem Gebiet früher Leute herangezüchtet. Ich glaube, früher waren Persönlichkeiten interessanter. Heutzutage hat man viele Spieler, die sehr gut spielen, aber was anderes wissen sie nicht. Wenn man mit denen dann redet, Frage-zeichen, Schwirren um den Kopf außer über das, was sie spielen.“

Sprecher:
Nach Meinung des Musiklehrers wird heutzutage bei jungen Musikern viel Wert darauf gelegt, dass sie ihr Instrument sehr gut spielen können, dass sie die Spieltechniken beherrschen. Sie werden auf diesem technischen Gebiet herangezüchtet. Der umgangssprachliche Begriff überträgt das Bild einer Pflanze, die künstlich aufgezogen wird. Der Musiklehrer findet, dass früher mehr die Musiker, ihr persönliches Auftreten und ihre Interpretation der Musik zählten. Er hat allerdings festgestellt, dass Schülerinnen und Schüler oft die Musik nicht verstehen. Er drückt dieses Unverständnis in Bildern aus, die der Comicsprache entlehnt sind: „Fragezeichen auf der Stirn“ beziehungsweise „Schwirren um den Kopf“ aus. Diese Einschätzung des Musiklehrers teilt Eckhard Rohlfs, einer der Mitbegründer und langjähriger Leiter von „Jugend musiziert“, nicht. Er weist auf die Vorteile des Wettbewerbs hin:

Eckart Rohlfs:
„Wir haben in der Bundesrepublik heute Hunderte von Jugendorchestern, die nicht denkbar sind, ohne dass die jungen Menschen sich vorher durch Wettbewerbe qualifiziert haben. Und die Preisträger sind eingebunden in internationale Begegnungen. Wir haben von Deutschland, Belgien und Frankreich ausgehend eine Art europäische Föderation der Jugendmusikwettbewerbe erstellt. Das ist das, was junge Menschen am meisten interessiert.“

Sprecher:
Eckart Rohlfs weist darauf hin, dass die vielen Jugendorchester in Deutschland nicht existieren würden, nicht denkbar seien, ohne diejenigen, die bei Wettbewerben ihr Können unter Beweis gestellt haben. Darüber hinaus sieht er einen weiteren Vorteil: Die jungen Musikerinnen und Musiker lernen Gleichgesinnte aus anderen Staaten kennen. Und das geschieht bei Wettbewerben nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. Benedikt Holtbernd vom Deutschen Musikrat ist der Meinung, dass „Jugend musiziert“ noch einen anderen Zweck erfüllt:

Benedikt Holtbernd:
„Wenn man sieht, es geht nicht nur um den Wettbewerb, sondern es geht auch um die Preise, die verliehen werden. Das gibt natürlich den jungen Menschen ein enormes Selbstbewusstsein, eine Stärkung, auch beispielsweise gegenüber den Schulkollegen, die vielleicht die jungen Musiker belächeln.“

Sprecher:
Benedikt Holtbernd weist auf den psychologischen Aspekt des Wettbewerbs hin. Eine
Teilnahme ist nicht nur für Musikschüler eine Ehre. Und wer gar in seinem Bereich siegt – egal ob er etwa Klavier oder Schlagzeug spielt oder singt – der stärkt nicht nur sein eigenes Selbstbewusstsein. Er gewinnt auch an Ansehen gegenüber seinen Mitschülerinnen und Mitschülern. Denn mancher nimmt die Musikerin oder den Musiker nicht ganz ernst, belächelt sie oder ihn. Die Motivation, bei „Jugend musiziert“ mitzumachen, ist allerdings bei jedem verschieden:

Schülerin / Schüler:
„Also, ich glaub’ mein Ziel ist es, die Menschen glücklich zu machen und denen zu zeigen, was Musik ist – und ich glaub‘, das ist das nach Konzerten, wenn die Leute glücklich sind und zu einem kommen und einem gratulieren, und dass es schön war, und so. / Also, ich spar’ auf eine größere Marimba, und drum versuch’ ich, Preisgelder zu bekommen, dass ich mir eine leisten kann. Also ich hab‘ vor, später mal Musiklehrer zu werden, und ja.“

Sprecher:
Während sich die Schülerin wünscht, ihr Publikum mit ihrer Musik glücklich zu machen, hat der Schüler zwei Ziele: Er möchte viele Preisgelder bekommen, um sich davon ein größeres Marimbaphon zu kaufen, ein stehendes Holzklanginstrument. Sein zweites Ziel ist es, Musiklehrer zu werden. 2014 qualifizierten sich nach Angaben der Veranstalter von „Jugend musiziert“ mit 2500 Musikerinnen und Musikern so viele wie nie für den Bundeswettbewerb. Und sie alle standen mit feuchten Händen, roten Wangen, Schweiß auf der Stirn und zitternden Beinen vor der Jury und hofften auf einen ersten, zweiten oder dritten Platz. Für insgesamt 1809 von ihnen ging diese Hoffnung in Erfüllung.

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