Einmal in eine andere Rolle schlüpfen, Regie führen oder einfach nur Bühnenerfahrung zur Persönlichkeitsbildung sammeln? Und das als Studentin oder Student? Das ist möglich: an der „Studiobühne“ der Universität zu Köln.

Sprecher:
Rund 360 Theater gibt es in Deutschland. Sie sind entweder in öffentlicher Hand, werden also von Städten finanziert, oder in privater Trägerschaft. Doch Theater wird nicht nur hier, sondern auch an Universitäten gespielt. Denn viele der etwa 140 deutschen Universitäten und gleichwertigen Hochschulen besitzen ein eigenes Theater. Zu ihnen gehört auch die Universität zu Köln mit ihrer „Studiobühne Köln“. Diese existiert bereits seit 1920 und erhebt den Anspruch, Deutschlands ältestes Universitätstheater zu sein. An der Kölner „Studiobühne“ machen Studentinnen und Studenten aller Fakultäten das Programm, sie stehen selbst auf der Bühne oder führen Regie. Außerdem gibt es regelmäßige Festivals – wie etwa „Theaterszene Europa“ –, wo Theatergruppen aus europäischen Gastnationen ihre Stücke aufführen. 2010 wurde auch erstmals ein Regiewettbewerb ausgeschrieben, zu dem Studierende aller Fachbereiche aufgerufen waren. Diesen Wettbewerb gewann damals Patrick Reichert-Young mit seinem Stück „Auf EWIG GemEinsam“. Es handelt von zwei Frauen, die zugleich Freundinnen und Feindinnen sind. Sie sind durch eine Art Hassliebe aneinander gebunden. Sein Erstlingswerk hat Patrick Reichert-Young mit Hilfe der „Studiobühne Köln“ inszeniert und aufgeführt. Das hatte für ihn Vorteile, wie er sich erinnert:

Patrick Reichert-Young:
„Ich hab vorher nur Co-Regie gemacht, dann war es schon sehr hilfreich, erfahrene Leute dabeizuhaben, die dann auch immer wieder unterstützen können. Wobei gerade was Text angeht, Dramaturgie angeht, hab ich ganz frei arbeiten können. Das war sehr angenehm.“

Sprecher:
Für den Philosophiestudenten Patrick Reichert-Young war es seine erste eigene Regiearbeit. Zuvor hatte er nur dem eigentlichen Regisseur zur Seite gestanden, hatte nur Co-Regie gemacht. „Co“ ist eine Ableitung der lateinischen Vorsilbe „con“ und bedeutet „mit“, „zusammen“. Patrick fand es gut, dass er keine Vorschriften erhielt. Er hat frei arbeiten können. Das Stück „Auf EWIG GemEinsam“ ist aufwendig produziert und verbindet verschiedene Kunstformen, wie etwa Video, Fotografie und Malerei. Der Leiter der „Studiobühne Köln“, Dietmar Kobboldt, unterstützt die Experimentierfreude der Studentinnen und Studenten, denn die Zeiten haben sich – wie er sagt – geändert:

Dietmar Kobboldt:
„Die strenge Einteilung, die wir mal hatten in Sprechtheater, Musiktheater, Tanztheater, die gibt es schon gar nicht mehr. Bei ‚ Auf EWIG GemEinsam‘ verbinden sich die Kunstformen ‚Theater‘ mit ‚Film und Fotografie‘ ganz extrem. Ich finde, dass diese Eingrenzung auf ein zu schmales Spartendenken dem Gesamt-Kunstbegriff ‚Theater’ nicht gut tut.“

Sprecher:
Bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Theaterbereich in Deutschland weitgehend in einzelne Kategorien, Sparten, aufgeteilt. Und die waren – wie es Dietmar Kobboldt formuliert – streng eingeteilt, hatten oft wenig miteinander zu tun. Er findet dieses eingeengte, schmale, Spartendenken nicht gut. Stattdessen befürwortet er, dass beispielsweise auch Kunstformen wie Film und Fotografie in Theateraufführungen ihren Platz finden. Seiner Meinung nach ist das bei dem Stück „Auf EWIG GemEinsam“ in sehr starkem Maß, ganz extrem, der Fall. Dietmar Kobboldt sieht die „Studiobühne Köln“ aus einem bestimmten Grund als einen Ort, ein etwas anderes Theater zu machen:

Dietmar Kobboldt:
„Ein Stück weit begreifen wir uns – was den Theater- und auch den Filmbereich betrifft – auch als eine forschende Anstalt. Wir forschen so ‘n bisschen an dem modernen Theater, gucken: ‚Was ist noch drin?‘ Und auch den Begriff ‚Lehre‘ erfüllen wir natürlich, weil wir mit das größte Ausbildungsprogramm in Köln haben für die Bereiche Theater, Fotografie, Film, Video.“

Sprecher:
Für Dietmar Kobboldt ist die „Studiobühne Köln“ vergleichbar mit einem wissenschaftlichen Institut, einer forschenden Anstalt. Wie in einem Labor kann selbst bei modernem Theater experimentiert werden. Es kann geschaut werden, was noch möglich, was noch drin ist. Gleichzeitig wird den medieninteressierten Studentinnen und Studenten aber auch Wissenswertes vermittelt, der Lehranspruch erfüllt. So können sie zum Beispiel Film- und Fotokurse besuchen oder kostenfrei Sprech- und Bühnenerfahrung sammeln. Zu ihnen gehört auch Simon. Er begründet, warum er gern Theater spielt:

Simon:
„Man muss sich ja schon an relativ viele Konventionen halten, und Theater ist immer noch zum Glück ‘n sehr geschützter Raum, in dem man viele Sachen machen und ausprobieren kann, und Grenzen erfahren kann, die man im normalen Leben so nicht findet. Und das macht‘s eigentlich immer wieder spannend.“

Sprecher:
Im Alltagsleben müssen viele gesellschaftlich festgelegte Regeln beachtet werden. Man muss sich – wie Simon es ausdrückt – an viele Konventionen halten. Wer allerdings auf der Bühne eines Theaters steht, braucht das nicht. Das Theater ist ein geschützter Raum, man kann also Dinge tun, die sonst nicht möglich sind. Und man kann – so Simon – Grenzen erfahren, also ausprobieren, ob etwas möglich ist oder nicht. Nach Ansicht von Dietmar Kobboldt kann eine Bühnenerfahrung auch im Alltag hilfreich sein:

Dietmar Kobboldt:
„Wenn Sie einmal einen ‚Act-Shop‘ gemacht haben, werden Sie danach möglicherweise bei jedem öffentlichen Auftritt, beim Referat, was Sie halten müssen – sei es beim Interview im Rundfunk – souveräner auftreten, weil Sie ‘n bisschen was über sich erfahren haben.“

Sprecher:
Theatertechniken können also auch den ganz normalen Alltag erleichtern. Jemand, der an einem „Schauspielworkshop“ – Englisch: „Act-Shop“– teilgenommen hat, wird sich nach Ansicht von Dietmar Kobboldt in der Öffentlichkeit selbstsicherer verhalten, souveräner auftreten. Diese Meinung teilt auch der Jurastudent Jonathan, der in einem Workshop an der „Studiobühne Köln“ unter anderem gelernt hat, seine Stimme zu kontrollieren:

Jonathan:
„Wenn man während der Vorlesung ‘n Wortbeitrag macht, kann man den jetzt viel professioneller platzieren. Und selbstverständlich, wenn ich später als Anwalt tätig sein sollte und viel vor Publikum und vor dem Gericht spreche, wird mir das auch zugutekommen – aber auch im Alltag.“

Sprecher:
Jonathan hat den Eindruck gewonnen, dass die Studiobühnenerfahrung ihm weiterhilft, ihm zugutekommt. Die Theatererfahrung nimmt die Angst, vor einer Menschenmenge zu sprechen. So schafft man es auch, sich während einer Vorlesung etwa ohne Zittern in der Stimme zu Wort zu melden und etwas zu fragen oder zu sagen, etwas zu platzieren. Man wirkt – wie es Jonathan formuliert – professionell. Egal, ob es sich um zukünftige Regisseure, Schauspieler, Manager oder Juristen handelt: Ganz unabhängig von Karriereplänen kann man an der „Studiobühne Köln“ auch einfach nur aus Spaß Theaterspielen.

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