Die „Rote Flora“ ist eng mit dem Hamburger Schanzenviertel verbunden. Viele Anwohner sind daher für den Erhalt des linksautonomen kulturellen und politischen Zentrums – trotz mancher Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Einladend sieht es von außen nicht aus, dieses Gebäude im Schanzenviertel im Westen Hamburgs. Es ist übersät mit Graffitis und Plakaten, der gelbe Anstrich blättert ab. Passanten laufen vorbei. Manche schauen und wundern sich. Vor allem für diejenigen, die hier wohnen oder auch ihre Geschäfte betreiben, gehört sie, die „Rote Flora“, schon lange zum gewohnten Anblick. Und manche – wie diese Anwohnerin und diese Inhaber eines Blumengeschäfts sowie eines Cafés – finden es gut, dass es sie gibt:

„Es war schon da, bevor wir alle da waren, und das gehört auf jeden Fall dazu. / Ich finde, die ‚Rote Flora‘ bildet schon so was wie ‘n Zentrum. Ob man jetzt tatsächlich da ein und aus geht und ob man jetzt die gleichen Interessen hat oder die gleichen Ansichten hat, da scheiden sich natürlich die Geister. / Ich bin froh, dass sie da sind, die stören mich überhaupt nicht, eher ziehen diese Jungs oder diese Mädels oder dieses Objekt Touristen hierher. Also, ich seh’ jeden Tag hier Tausende von Leuten, die Fotos machen.“

Für die Anwohnerin gehört die „Rote Flora“ zum Schanzenviertel dazu. Das Gebäude war schon da, bevor sie ins Viertel zog. Bereits 1888 wurde das Gebäude als Konzerthaus gebaut. Seinen Namen bekam es in Anlehnung an die „Flora“, ein altes Walfänger-Schiff, das als Tanzlokal diente. Nach verschiedenen Nutzungen über die Jahre, gab es 1988 gewaltsamen Widerstand, als das Gebäude abgerissen und dort ein Musical-Theater gebaut werden sollte. Im November 1989 besetzten sogenannte Linksautonome das leer stehende Gebäude. Als „linksautonom“ werden Menschen bezeichnet, die ein selbstbestimmtes Leben führen wollen, die Staatsmacht ablehnen und auch zu Gewalt greifen, um ihre Interessen durchzusetzen. Die linke Gesinnung der Besetzer führte zur Namensänderung des Gebäudes in „Rote Flora“. Diese Gesinnung muss man nicht teilen, an ihr können die Geister sich scheiden, wie die Inhaberin des Blumenladens meint. Auch muss man in der „Roten Flora“ nicht ein und aus gehen, also die dort stattfindenden politischen oder kulturellen Veranstaltungen regelmäßig besuchen, um für ihren Erhalt zu sein. DerCafébesitzer ist sogar der Meinung, dass das Gebäude eine Sehenswürdigkeit geworden ist, die Touristen in das Viertel lockt, sie hierher zieht. Zu den Bewohnern der „Roten Flora“ gehört auch Klaus Waltke, ein Name, den er sich für die Gespräche mit der Presse selbst gegeben hat. Er erklärt, dass ganz unterschiedliche Menschen in der „Roten Flora“ wohnen:

„Ich glaube, dass wir ‘n ziemlichen Querschnitt der Bevölkerung auch abbilden, sei es auch, was Leute für Berufe haben. Also, wir haben ja sowohl irgendwie Kindergärtner, aber auch Ingenieure und Ingenieurinnen aktiviert. Wir haben natürlich Leute auch, die ‘n akademischen Background haben, genauso haben wir halt auch Leute, die mit den Bildungsangeboten dieses Staates nicht so zurechtgekommen sind und keinerlei Abschlüsse vorweisen können.“

Nach Angaben von Klaus Waltke leben Menschen unterschiedlicher Herkunft und Ausbildung in der „Roten Flora“. Ihr Background unterscheidet sich. Sie bilden somit einen Querschnitt der deutschen Bevölkerung ab, eine Auswahl ganz verschiedener Gruppen. So gibt es beispielsweise sowohl Akademiker als auch – wie es Klaus Waltke freundlich umschreibt – Menschen, die im Bildungssystem gescheitert sind, die nicht zurechtgekommen sind. Für den Erhalt der „Roten Flora“ setzte sich auch Rechtsanwalt Andreas Beuth ein, der Mitglieder der linken Szene anwaltlich vertritt. Seiner Meinung nach ist es möglich, dass Bewohnerinnen und Bewohner ein Kulturzentrum wie die „Rote Flora“ auch selbst verwalten können:

„Betriebskosten zum Beispiel werden seit eh und je bezahlt, ansonsten wird dort unentgeltliche Arbeit verrichtet, niemand verdient etwas. Und Hamburg finde ich, muss sich ein solches Kulturzentrum auch leisten können.“

Die Bewohnerinnen und Bewohner bezahlen laut Andreas Beuth die Betriebskosten seit eh und je, also seit sie in dem Gebäude wohnen. Zu den Betriebskosten gehören zum Beispiel städtische Gebühren für Müllabfuhr und Straßenreinigung, Abwassergebühren und die Grundsteuer. Arbeiten im Gebäude werden selbst erledigt, ohne dass dafür Handwerker bezahlt werden müssen. Sie finden unentgeltlich statt. Der Anwalt findet, dass die Stadt sich so ein Zentrum auch leisten sollte. Sie muss das Gebäude nicht verkaufen, um Profit daraus zu ziehen. Ähnlich sieht das der Cafébesitzer, der in der Nähe der „Roten Flora“ sein Café betreibt:

„Ich finde, es gibt schon genug Geschäfte hier, es soll nicht sehr kommerziell werden. Das Viertel soll so ‘n bisschen Kult bleiben, soll ‘n bisschen auch persönlich bleiben. Das andere, das finde ich alles sehr unpersönlich.“

Das Viertel ist Kult, etwas, das außergewöhnlich ist und durch seine alternative Lebensform bei bestimmten Personen sehr beliebt ist. Im Laufe der Jahre hat sich das Viertel, in dem vorwiegend sozial schwache Menschen lebten, stark verändert. Immer mehr Cafés sowie Restaurants und teure Klamottenläden siedeln sich hier an. Hier treffen sich Menschen, die auf der Suche nach besonderen, ausgefallenen Dingen sind. Klaus Waltke steht gerade deshalb hinter dem, was die „Rote Flora“ darstellt:

„Weil das Projekt Rote Flora auch ‘ne politische Idee ist: Wir haben ‘n sehr starken Widerspruch gegen die Eigentumsordnung in diesem Staat, dass immer alles irgendjemandem gehören muss und dass man Verträge machen muss und dass man irgendwie ‘n Chef braucht. Und wir finden das sehr wichtig, klar zu machen, dass man auch anders zusammenleben kann. Und deswegen ist das hier wie ein gewisses Labor.“

Für Klaus Waltke bleibt die „Rote Flora“ eine Möglichkeit, zu zeigen, dass man auch anders leben kann. Es ähnelt einem wissenschaftlichen Experiment im Labor.

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