Es gilt nicht als Weltsprache, gehört nicht zu den UN-Amtssprachen und ist keine wirkliche Arbeitssprache in der EU. Der Germanist Ulrich Ammon meint aber: Deutsch bleibt als Fremdsprache attraktiv.

Deutsch war einmal die Weltsprache in der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Politik. Unter anderem durch den Ersten und den Zweiten Weltkrieg büßte es diese Bedeutung ein. Lange Zeit galt es als Sprache einer kriegführenden Nation. In seinem fast 1300 Seiten umfassenden Buch „Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt“ befasst sich der Germanist und Linguist Ulrich Ammon damit, wie sich Deutsch seitdem entwickelt hat. Er gibt einen Überblick über die Verbreitung und den Rang des Deutschen in der Welt. Und er schaut sich an, welche Sprache in welchem Bereich „gesprochen“ wird: in der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Diplomatie, dem Tourismus, den Medien und der Bildung. Dass Deutsch ausstirbt, befürchtet er nicht:

„Es ist so, dass sich in letzter Zeit Deutsch wieder etwas gefangen hat unter dem Eindruck, dass die deutschsprachigen Länder wirtschaftlich florieren und Stabilitätsanker in Europa sind. Wenn man Deutsch kann, dann hat man Zugang zu diesen Ländern mit guten Berufsmöglichkeiten, wirtschaftlichen Möglichkeiten und auch Studienmöglichkeiten, Weiterbildungsmöglichkeiten, für vorübergehende Aufenthalte, vielleicht auch für Zuwanderung und dergleichen. Und das macht das Deutschlernen bis zu einem gewissen Grad attraktiv – vor allem in Entwicklungsländern und in südeuropäischen Ländern –, weil man sich von Deutschkenntnissen Vorteile verspricht.“

Ulrich Ammon meint, Deutsch ist nicht bedeutungslos geworden, sondern hat seinen Stellenwert wieder gefunden. Es hat sich gefangen. Als Gründe dafür nennt er die Stellung, die Deutschland politisch und wirtschaftlich einnimmt. Der Wirtschaft geht es sehr gut, sie blüht, floriert. Und die politische Führung ist stabil. Sie bildet einen Stabilitätsanker inmitten anderer Länder mit eher instabilen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Diese Voraussetzungen sorgen dafür, dass Deutschland als Land interessant ist: für Wirtschaftskontakte, für die Arbeit, fürs Studium. Und diejenigen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, versprechen sich dadurch Vorteile. Sie hoffen, es leichter zu haben. Die Sprache hat aber international von der Gesamtzahl der Muttersprachler her gesehen nicht diese hohe Bedeutung. Da steht Deutschland nur an zehnter Stelle. Ausschlaggebend ist aber dennoch laut Ulrich Ammon die Wirtschaftskraft:

„Wichtiger ist zum Beispiel das Bruttosozialprodukt. Und da steht die deutsche Sprachgemeinschaft – und damit auch die deutsche Sprache – an vierter Stelle in der Welt. An erster Stelle die englische Sprachgemeinschaft, gefolgt von der chinesischen. Und die spanische ist so ungefähr gleichranging mit der großen Zahl der Länder – bisschen über der deutschen Sprachgemeinschaft. Und, wenn man einen anderen Maßstab nimmt: Die Zahl der Lerner, die Deutsch als Fremdsprache lernen, ist auch beachtlich. Da rangiert Deutsch ebenfalls auf Rang vier. Da sind nur Englisch, Französisch und Chinesisch vor Deutsch. Und Spanisch konkurriert.“

Beim Bruttosozialprodukt, seit 1999 Bruttonationaleinkommengenannt, dem Wert aller Waren und Dienstleistungen, steht Deutschland laut Ulrich Ammon etwa an vierter Stelle. Denn spanischsprachige Länder erwirtschaften geringfügig mehr als die Länder, in denen Deutsch gesprochen wird. Das sind neben Deutschland noch Österreich und ein Großteil der Schweiz. Ulrich Ammon sieht aber auch noch ein anderes Kriterium für die derzeitige Bedeutung Deutschlands in der Welt. Er nimmt einen anderen Maßstab: die Zahl der Deutschlernenden. Sie ist von relativ großer Bedeutung, beachtlich. Immerhin würde Deutsch hier an vierter Stelle stehen, rangieren. Trotz dieser Voraussetzungen hat Deutschland nach Meinung von Ulrich Ammon nicht genug dafür getan, die Bedeutung der Sprache auch in wichtigen Organisationen stärker zu unterstützen:

„Es hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, Deutsch zu einer Amtssprache der Vereinten Nationen zu machen. 1973 sind die DDR und die BRD aufgenommen worden in die Vereinten Nationen, aber von deutscher Seite wurde kein einziger Antrag gestellt. In der EU gibt es ähnliche Entwicklungen. Nach der Vereinigung der beiden Teile Deutschlands hat ja Kanzler Kohl damals gedrängt, dass jetzt auch die Stellung von Deutsch in der EU gestärkt werden müsste. Aber die deutsche Regierung hat es irgendwie verschlafen, immer wieder mal protestiert. Nun so ‘n Protestbrief hat viel Platz im Papierkorb. Und jetzt ist die Lage eingetreten, dass Deutsch zwar von den Statuten her Arbeitssprache in der Kommission ist, aber in der Praxis überhaupt nicht.“

1973 wurden die frühere DDR und die Bundesrepublik Deutschland, die bis 1990 mit BRD abgekürzt wurde, gleichzeitig Mitglied der Vereinten Nationen. Laut Ulrich Ammon wäre es schon damals möglich gewesen, den Antrag zu stellen, dass Deutsch neben Englisch, Französisch, Chinesisch, Russisch, Spanisch und Arabisch eine Amtssprache wird. Das bedeutet, dass etwa Texte von Verträgen oder Resolutionen in diesen Sprachen verfasst sein müssen. Manche Amtssprache ist auch gleichzeitig Arbeitssprache, das heißt die Sprache, in der kommuniziert wird und die auch Übersetzer oder Dolmetscher beherrschen müssen. Bei den Vereinten Nationen sind Englisch und Französisch gleichzeitig Amts- und Arbeitssprachen. In der Europäischen Union dagegen gibt es derzeit 23 Amtssprachen. In der EU-Kommission gehört Deutsch neben Englisch und Französisch von den Statuten her, also den Regeln nach, auch zu den Arbeitssprachen. Die Kommission ist das Entscheidungsorgan der EU und vertritt die Interessen aller EU-Mitgliedsstaaten. Laut Ulrich Ammon hat sich der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 stark dafür eingesetzt, dass Deutsch auch eine der EU-Arbeitssprachen wird. Er hat daraufgedrängt. Es hat sogar Protestbriefe gegeben, die aber nicht den erwünschten Erfolg hatten: Sie hatten, wie es Ulrich Ammon scherzhaft formuliert, viel Platz im Papierkorb. Insgesamt habe es Deutschland aber verschlafen, dem Vorhaben mehr Nachdruck zu verleihen. Man hat es verpasst. Und das hat – so Ulrich Ammon– dazu geführt, dass Deutsch zwar laut Statuten eine der drei Arbeitssprachen ist, in der täglichen Arbeit, der Praxis, aber nicht. Damit Deutsch in der Welt mehr Gewicht bekommt, muss nach Ansicht des Sprachwissenschaftlers Folgendes passieren:

„Ich denke, dass zunächst einmal ein Bewusstsein von der Wichtigkeit der Stellung der deutschen Sprache in der Welt entstehen müsste. Das müsste schon bei den Schulen anfangen. Und die Politiker sollten sich solche Überlegungen wie sie in meinem Buch angestellt werden, – ich sag’s mal ganz unbescheiden – vielleicht ‘n bisschen zueigen machen, drüber nachdenken, welche Vorteile es hat.“

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