Keine lange Wartezeit in der Praxis? Eine ärztliche Beratung per Videokonferenz? Möglich machen soll das die Telemedizin. In Deutschland hat sich das Verfahren noch nicht durchgesetzt – aus verschiedenen Gründen …

Deutschland ist im internationalen Vergleich gut mit Ärzten versorgt: 3,84 Ärzte kommen auf 1000 Einwohner – in den USA beispielsweise betreuen im Schnitt 2,46 Kollegen die gleiche Menge an Patientinnen und Patienten. Die Zahlen sagen aber wenig darüber aus, wie die Mediziner, vor allem die Spezialisten, über das gesamte Land verteilt sind. Denn hier offenbart sich ein Problem, wie Wolfgang Loos, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin, schildert:

„Wir haben jetzt schon in ländlichen Regionen Situationen, dass der Besuch eines Facharztes für den Patienten fast eine Tagesreise ist.“

In Deutschland schließen Arztpraxen auf dem Land, wenn dort ein Arzt beispielsweise aus Altersgründen aufhört. Neue Ärzte lassen sich inzwischen meist in Städten nieder. Neben der besseren Infrastruktur dort gibt es auch einen organisatorischen Grund: Krankenkassenverbände bestimmen, wo sich ein Arzt niederlassen darf. Und das richtet sich nach dem Bedarf. In ländlichen Regionen leben immer weniger Patienten. Eine Arztpraxis kann dort nicht rentabel sein. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet das umgekehrt einen langen Weg zu einer Facharztpraxis in der nächstgelegenen Stadt. Das kann schon mal, wie Wolfgang Loos sagt, fast einen Tag dauern, eine Tagesreise sein. Abhilfe könnte die sogenannte Telemedizin schaffen: Dabei schalten sich Ärzte per Videoübertragung zum Patienten, betreuen und beraten direkt. Oder sie erfassen die Krankheitsdaten digital und tauschen sich mit Kliniken, niedergelassenen Fachärzten und Hausärzten aus, die in einem Netzwerk zusammengeschlossen sind. Allerdings sind der Telemedizin in Deutschland bislang klare rechtliche Grenzen gesetzt. Ärzte dürfen keine Diagnose stellen, ohne einen Patienten vorher unmittelbar behandelt zu haben. In der Schweiz beispielsweise wird das weniger strikt gehandhabt. Ein Anbieter dort ist die Firma Medgate. Allerdings hat Telemedizin in der Schweiz noch eine etwas andere Bedeutung, erklärt Franz-Joseph Bartmann, der Vorsitzende des Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer:

„‚Tele‘ steht da in erster Linie noch für ‚Telefon‘. Das hat mit Telemedizin in dem Sinne, was wir uns perspektivisch vorstellen, noch wenig zu tun: Das ist ‘ne Beratung am Telefon, und immer dann, wenn der Arzt den Eindruck gewinnt, hier kann er tatsächlich sich eine Meinung bilden und kann darauf eineauch Behandlung aufbauen, dann führt er diese durch – aber immer mit eingebauten Kontrollmechanismen.“

Beim medizinischen Callcenter und Telemedizinzentrum Medgate führen speziell geschulte Ärzte seit Beginn der 2000er Jahre eine medizinische Beratung rund um die Uhr durch. Diese findet noch zu etwa 98 Prozent übers Telefon statt. Falls der Arzt davon überzeugt ist, den Patienten auf Grund der ihm gegebenen Informationen behandeln zu können, eine Behandlung darauf aufzubauen, dann übernimmt er den Fall. Dabei bespricht er sich aber auch mit Kolleginnen und Kollegen, es gibt einen eingebauten Kontrollmechanismus. Mit Blick auf die Zukunft, perspektivisch gesehen, ist diese Form der Beratung laut Franz-Joseph Bartmann noch nicht das, was Telemedizin bieten sollte. Er plädiert dafür, dass das Fernbehandlungsverbot in Deutschland mit den zunehmenden Möglichkeiten für telemedizinische Verfahren gelockert wird. Dabei betont er aber auch:

„Telemedizin ist ein wichtiges Werkzeug, was dem Arzt hilft, die Kommunikation mit seinem Patienten zu verbessern – auch räumlich und zeitlich zu überwinden. Dass also nicht man drei Stunden im Wartezimmer warten muss. Aber der Arzt-Patientenkontakt, der ist nach wie vor eben in den meisten Fällen unverzichtbar.“

Die Telemedizin stellt für Arzt und Patienten etwas dar, das nützlich ist. Es ist ein Werkzeug. Denn Raum und Zeit spielen kaum mehr eine Rolle, können überwunden werden. Die Patientin oder der Patient sitzen daheim und müssen nicht lange im Wartezimmer warten. Trotzdem kann die Telemedizin nach Ansicht von Franz-Joseph Bartmann in der Regel kein Ersatz für eine Untersuchung in einer Praxis sein. Der Kontakt zwischen Arzt und Patient ist unverzichtbar. In Deutschland hat sich die Telemedizin allerdings – anders als etwa in skandinavischen Ländern – noch nicht so durchgesetzt. Ein Grund ist, dass viele Deutsche gern persönlich von einem Arzt behandelt werden möchten. Außerdem gibt es auch technische Hindernisse, weil in vielen – vor allem ländlichen – Regionen schnelle Internetverbindungen nicht existieren. Die sind aber für Videokonferenzen oder die Übermittlung von digitalen Patientendaten notwendig. Auch in der Zusammenarbeit mit Krankenhäusern in anderen Staaten wird Telemedizin bereits eingesetzt. Ein Beispiel ist der südostasiatische Staat Brunei wie Wolfgang Loos von der Gesellschaft für Telemedizin beschreibt:

„Das Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main hat zum Beispiel in Brunei eine Klinik mit aufgebaut, und diese Klinik in Brunei ist jetzt telemedizinisch mit Frankfurt am Main verbunden. Das heißt, deutsche Ärzte können in Untersuchungen oder Behandlungen in Brunei direkt per Videokommunikation miteingebunden werden.“

Deutsche Spezialisten können per Videokonferenz rund um die Uhr den Kolleginnen und Kollegen in Asien zugeschaltet werden. Wolfgang Loos ist der Meinung, dass auch Deutschland auf lange Sicht gesehen, nicht an Telemedizin vorbeikommt:

„Die Zeit wird nach solchen Lösungen drängen. Man muss dabei natürlich auch sehen, dass, wenn sich solche Dienste entwickeln, natürlich auch eine entsprechende Qualität vorgehalten wird.“

In den kommenden Jahren wird auch in Deutschland das Thema „Telemedizin“ nach Ansicht von Wolfgang Loos immer wichtiger werden, oder wie er es ausdrückt: Die Zeit wird nach solchen Lösungen drängen. Die angebotene Leistung, der Dienst, muss allerdings eine gewisse Qualität haben, sie muss vorgehalten werden. In manchen Bereichen wird die Telemedizin auch in Deutschland inzwischen eingesetzt, beispielsweise bei der Versorgung von Patienten, die einen Schlaganfall hatten. Kleine Krankenhäuser sind mit Spezialkliniken vernetzt und können Fachärzte per Videokonferenz zuschalten, wenn sie Fragen haben. Ob Telemedizin allerdings auf Dauer die persönliche Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt ersetzen kann, bleibt fraglich. Letztlich werden das die Patientinnen und Patienten entscheiden.

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