Wer abstehende Ohren oder eine große Nase hat, leidet meist darunter. Auch auf Kindern und Jugendlichen lastet zum Teil schon ein großer Druck, gut auszusehen. In bestimmten Fällen führt dies sogar zur Schönheits-OP.

Stefanie (Name von der Redaktion geändert) war fünf Jahre alt, als ihre Eltern sich entschlossen, sie operieren zu lassen. Der Grund: Sie hatte abstehende Ohren, umgangssprachlich auch „Segelohren“ genannt. Ihre Mutter erinnert sich, warum sie ihre Tochter damals operieren lassen wollte:

„Der HNO-Arzt damals hatte empfohlen vor der Einschulung, das machen zu lassen, weil – die Erfahrung sagte – gerade in der Grundschulzeit eben die Hänseleien von den Mitschülern kommen. Also bis zum Kindergartenalter ist das wohl völlig normal. Da achten die Kinder nicht drauf. Aber ab der ersten, zweiten, dritten Klasse entwickelt sich das langsam. Und deswegen hatte man das damals vor der Einschulung noch gemacht. Heute macht man es ‘n bisschen später, weil die Ohren noch wachsen.“

Kinder und Jugendliche, die sich äußerlich von anderen unterscheiden, müssen Hänseleien ertragen. Andere machen sich über sie lustig, ohne darüber nachzudenken, dass sie damit Gefühle verletzten könnten. Oft beginnt das bereits im Grundschulalter, also etwa ab einem Alter von sechs Jahren. Der HNO-, der Hals-Nasen-Ohren-Arzt hatte das Stefanies Mutter so erklärt. Er empfahl ihr, Stefanies Ohren „anlegen“ zu lassen, sie so zu korrigieren, dass sie nicht mehr vom Kopf abstehen. Und das sollte möglichst geschehen, bevor sie in die Schule kommt, eingeschult wird. Ein körperlicher Makel wie abstehende Ohren lässt Kinder und Jugendliche leiden, erläutert Dr. Peter Siepe:

„Die schämen sich. Die ziehen sich sozial zurück, trauen sich nicht in die Öffentlichkeit. Die Mädchen oder Frauen sagen dann oft ‚Ich kann bestimmte Frisuren nicht machen‘ und fixieren sich auch natürlich so ‘n bisschen darauf. Und werden eben häufig auch – besonders im Grundschulalter – gehänselt.“

Peter Siepe ist ästhetisch-plastischer Chirurg. Ästhetisch-plastische Chirurgie ist ein Bereich der Medizin, bei dem einfach die Ästhetik, also das Erscheinungsbild, verbessert werden soll oder es eine medizinische Notwendigkeit gibt. Das kann beispielsweise wegen eines Unfalls oder einer Krankheit der Fall sein. Plastische Chirurgen stellen dann etwa Organe wieder her, sie „bilden“, „formen“, „gestalten“ sie. Peter Siepe hat – wie er sagt – die Erfahrung gemacht, dass Kinder psychisch unter abstehenden Ohren leiden. Sie schämen sich und bleiben aus Angst vor Hänseleien lieber alleine. Sie ziehen sich sozial zurück. Besonders Mädchen richten ihre ganze Aufmerksamkeit auf diesen körperlichen Makel. Sie fixieren sich darauf. Minderjährige, also Jugendliche bis zu 18 Jahren, machen allerdings nur einen kleinen Anteil der Patienten aus: Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie gibt sie mit 1,3 Prozent aller Schönheitsoperationen an. Das Anlegen von Ohren nimmt dabei mit 80 Prozent einen Spitzenplatz ein, es folgen die Korrektur einer weiblich wirkenden Brust bei einem jungen Mann sowie das Korrigieren von krankhaftem Schwitzen. Alle drei sind Operationen, die medizinische Gründe haben und keine Schönheitsoperationen im engeren Sinn sind. Peter Siepe erklärt, warum:

„Weil wir reine Schönheitsoperationen, wo nur der Wunsch nach einer ästhetischen Korrektur besteht, nicht durchführen und mir auch kein plastischer Chirurg bekannt ist, der das durchführen würde bei Minderjährigen.“

Peter Siepe macht deutlich, dass bei Minderjährigen grundsätzlich keine Operationen durchgeführt werden, die nur ein gewünschtes Körperbild hervorbringen sollen. Dass vor allem Jugendliche danach streben, hat in den Augen von Dirk Lanzerath, dem Leiter des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften, hauptsächlich eine Ursache:

„Im Grunde kommt ja der Druck, der dann auch auf Jugendlichen lastet, irgendwo aus der Gesellschaft, weil sie so etwas fördert oder toleriert. Und insofern geht es ja nicht nur darum, sozusagen das Handeln der Ärzte zu lenken, sondern es geht ja auch darum, ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür zu schaffen, welchen Preis man dafür zahlt, dass man möglicherweise hier eine völlig falsch verstandene Körperästhetik in den Vordergrund stellt.“

Dirk Lanzerath findet, dass Jugendliche das Gefühl haben, ein bestimmtes Schönheitsideal erfüllen zu müssen, das ihnen beispielsweise in Zeitschriften oder Fernsehshows gezeigt wird. Es lastet ein Erwartungsdruck auf ihnen. Medien und die soziale Gemeinschaft definieren, welcher Körper als „schön“ und ästhetisch gilt – und welcher nicht. Die Gesellschaft toleriert, duldet, dass so eine Verallgemeinerung stattfindet. Dabei wird diese Körperästhetik nach Ansicht von Dirk Lanzerath völlig falsch verstanden. Denn eigentlich hat jede und jeder eine andere Vorstellung davon, was sie oder er als ästhetisch empfindet. Viele Menschen zahlen dennoch einen hohen Preis, sind bereit, viel zu ertragen, um ein angeblich allgemeingültiges Schönheitsideal zu erfüllen. Auf Stefanie trifft das nicht zu. Mehr als zehn Jahre nach der Operation ihrer Ohren ist sie froh, dass sich ihre Eltern dazu entschlossen:

„Ja, auf jeden Fall fühle ich mich wohler. Ja, ich traue mich jetzt auch wieder, Zöpfe zu tragen. Und ja, es ist einfach schöner so.“

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