Obwohl es mehrere Hunderttausend Menschen auf der Welt beherrschen, ist es keine offizielle Sprache: das Esperanto. Dabei war eines der Ziele ihres Erfinders, sich über Sprachgrenzen hinweg verständigen zu können.

„En la mondon venis nova sento, tra la mondo iras forta voko, per flugiloj de facila vento, nun de loko flugu ĝi al loko ...”

„In die Welt kam ein neues Gefühl, durch die Welt geht ein starker Ruf, mit Flügeln leichten Windes fliege er nun von Ort zu Ort ...“ So beginnt sie, die ursprüngliche Hymne der Esperantisten, derjenigen, die die Universalsprache Esperanto sprechen. Den Begriff „Plansprache“ oder „Welthilfssprache“ hören Esperantisten daher auch nicht so gern. Den Grund nennt der Kölner Lehrer und Esperantist Harald Schmitz:

„Hilfssprache impliziert, dass es so etwas Halbfertiges ist. Esperanto ist ‘ne voll entwickelte Kultur- und Gebrauchs- und Literatursprache. Wir hören immer wieder: ‚Kann man das denn sprechen? Gibt’s da Literatur, gibt’s Wörterbücher?‘ Wo wir denken: ‚Liebe Leute, habt ihr euch denn mal da kundig gemacht.“

Der Begriff „Hilfssprache“ ist für Harald Schmitz ein Hinweis darauf, dass es sich um eine Sprache handelt, die nicht fertig ausgearbeitet ist. Der Begriff impliziert etwas Halbfertiges. Wenn dann entsprechende Fragen gestellt werden, denken sich Esperantisten wie Harald Schmitz, ob sich die Fragestellenden überhaupt informiert, kundig gemacht, haben. Esperantisten bezeichnen ihre Sprache selbst als „Internacia Lingvo“, als internationale Sprache. Denn egal welche Muttersprache jemand hat: Esperanto würde über Sprachgrenzen hinweg alle miteinander verbinden. Diese Hoffnung hegte auch ihr Erfinder, der polnisch-jüdische Augenarzt Ludwik Lejzer Zamenhof. Er gab sich selbst das Pseudonym „Doktoro Esperanto“, „der hoffende Doktor“, und nannte die Sprache auch so. Im Jahr 1887 brachte Zamenhof im damals russischen Bialystok das erste kleine Esperanto-Buch auf den Markt, verkaufte es. Bemühungen, Esperanto offiziell als Weltsprache einzuführen, scheiterten. Der Berliner Sprachwissenschaftler und Esperanto-Forscher Detlev Blanke erklärt sich das so:

„Entscheidend ist einfach, dass die Rolle des Französischen für die französischen Politiker gefährdet schien. Denn wir dürfen nicht vergessen: Das Französische war die Sprache der internationalen Kommunikation, der Diplomatie. In dieser Zeit in den 20er-Jahren begann aber auch das Englische an Einfluss zu gewinnen."

Französisch und später Englisch waren – auch mit Blick auf die Kolonialgeschichte – die Sprachen der Politik und der Diplomatie. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Esperanto öfter benutzt, schließlich aber dann von Englisch als weltweiter Verkehrssprache verdrängt. Die wahren Esperantisten stört das aber nicht. Alljährlich treffen sie sich zu ihrem Weltkongress in jeweils einer anderen Stadt. 2015 war die französische Stadt Lille Gastgeberin. Nach eigenen Angaben der Esperantistenvereinigung sprechen mehrere hunderttausend Menschen, verteilt auf mehr als 120 Länder, heutzutage Esperanto. Eine genaue Zahl ist nicht bekannt. Dabei findet jeder auf eine andere Art und Weise zu dieser Sprache. Bei Lehrer Harald Schmitz war es der Klang der Wörter:

„Als ich dann so Sätze hörte wie ‚la hundo estas malgranda‘ oder ‚la lito staras en la angulo de la chambro‘, da hat’s Klick gemacht, und da habe ich mein Herz an Esperanto verloren. Das fand ich einfach so witzig. Ja, es ist schon wie ‘nVirus.“

Sätze wie: „Der Hund ist klein“ oder „Das Bett steht in der Ecke des Zimmers“ haben bei Harald Schmitz dafür gesorgt, dass es Klick gemacht hat. Sie waren der plötzliche Auslöser für eine dauerhafte Liebe zu der Sprache. Er hat sein Herz an sie verloren. Er kam zu dieser Liebe wie zu einer Viruskrankheit, hat sich angesteckt. Bei diesen beiden Mitgliedern des Esperantistenclubs in Köln gab es andere Gründe:

„Ich hab es gelernt, weil mein Mann das gelernt hat und ich wollte gerne wissen, was er für Briefe kriegt, damit ich die auch lesen konnte. / Ich hab durch Zufall über Esperanto im Radio gehört und mich hat zu Beginn interessiert: ‚Wie kann eine konstruierte oder geplante Sprache überhaupt funktionieren. Und wenn man mal angebissen hat, dann tritt die ursprüngliche Idee vielleicht dieser Plansprache in den Hintergrund. Das ist dann, ja, wie ’ne Muttersprache.“

Beide Mitglieder hatten unterschiedliche Gründe, die Sprache zu lernen: Die Frau wollte die Briefe ihres Mannes verstehen, dieser hatte selbst einen anderen Grund. Er biss an, fand großes Interesse an Esperanto, als er sich mit der Sprache befasste. Und je mehr er sich begeisterte, desto schneller wurde die Tatsache unwichtig, dass es sich um eine Kunstsprache, eine Plansprache, handelt. Es trat in den Hintergrund. Für Lehrer Harald Schmitz bringt es mehrere Vorteile, wenn man Esperanto spricht:

„Sie können reisen, Leute aus vielen Ländern, exotische Charaktere kennenlernen, zu Treffen fahren, Kongressen. Es gibt dann auch Literatur, Original-Esperanto-Theaterstücke oder übersetzte. Es gibt als Teil derEsperantowelt die Radiosender: Radio Vatikan, Radio Warschau, Radio Havanna ...“

Die Esperanto-Gemeinschaft ist wie ein eigener, in sich geschlossener Kosmos, eine eigene Welt. Esperantisten wissen, wo es in anderen Ländern Gleichgesinnte gibt. Und wenn sie dahin reisen, wissen sie, wo sie kostenlos übernachten und einen Einblick ins Leben der Einheimischen bekommen können. Zu diesem Zweck wurde der sogenannte „Pasporta Servo“ ins Leben gerufen, eine Liste mit Adressen in mehr als 90 Staaten. Aber weil man ja nicht immer unterwegs sein kann, korrespondieren Esperantisten fleißig im Internet. Darüberhinaus findet man Esperanto-Literatur, auch sogenannte „hohe Literatur“ wie beispielsweise Bertold Brechts „Dreigroschenoper“. Man kann Esperanto auch hören. Neben Radio Vatikan, Radio Warschau und Radio Havanna auf Kuba bieten etwa auch das kanadische Radio Verda sowie Radio China Sendungen auf Esperanto an. Spezielle Internetradios spielen ausschließlich Esperanto-Musik. Für manche mag Esperanto nur ein Hobby sein. Für manche aber wie Marko Naoki Lins, Sohn des Historikers und Esperantisten Ulrich Lins, sicherte es für eine gewisse Zeit sein Leben ab:

„Ich hab sogar zwei Jahre durch Esperanto mein tägliches Brot verdient als Lobbyist der Europäischen Esperanto-Union in Brüssel, wo wir versucht haben, Esperanto eben auf die politische Agenda im Kleinen zu setzen. Es ist sehr schwierig, ernstgenommen zu werden, aus Gründen, dass sehr wenig Geld dahintersteckt a), und b) auch, dass keine politische Lobby dahintersteckt. Aber ich sage immer: ‚Wir sind klein, aber oho.‘“

Marko Naoki Lins war früher, wie er erzählt, bei der Europäischen Esperanto-Union (EEU) angestellt, er verdiente dortsein tägliches Brot. Er arbeitete als Lobbyist, also als jemand, der versuchte, Politiker der Europäischen Union für seine Interessen zu gewinnen. Und das tat er, indem er das Thema „Esperanto“ auf die politische Agenda setzte. Er sorgte dafür, dass es auf die Tagesordnung kam und darüber diskutiert wurde. Allerdings nur dort, wo es möglich war, im Kleinen. Aber es war nicht leicht, dafür zu werben, denn die notwendige Unterstützung fehlte. Es gab kein Geld und keine politische Lobby. Sie steckten nicht dahinter. Dennoch trat und tritt Marko Naoki Lins mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein auf. Das drückt er mit der in der Umgangssprache gebräuchlichen Wendung „klein, aber oho“ aus, was so viel bedeutet wie „nicht sehr groß, aber doch so, dass man es nicht unterschätzen sollte“. Denn Esperanto hat neben anderen Aspekten auch einen Vorteil: Es ist leichter zu lernen als viele andere Fremdsprachen. So kann Sybille vom Kölner Esperantistenclub schon nach kurzer Zeit das Verb „sein“ deklinieren, indem sie jedes Mal auf die gleiche Endung zurückgreift:

„Mi estas, vi estas, li estas, ŝi estas, ni estas …“

Ein Leben ohne grammatische Hürden ist sicher ein Traum für alle, denen manche Fremdsprache eher schwerfällt. Nach Ansicht des Kölner Lehrers Harald Schmitz sind Esperantosprecher aber eins nicht:

„Also, Esperantosprecher sind nicht diejenigen, die zu dumm oder zu faul sind, andere Sprachen zu lernen – die meisten Esperantisten sind mehrsprachig –, sondern Esperanto ist wie so ‘ne Art Generalschlüssel in die Welt.“

Wer Esperanto beherrscht, besitzt nach Ansicht von Harald Schmitz eine Art Generalschlüssel. Denn Personen, die einen General- beziehungsweise Universalschlüssel besitzen, können beispielsweise in einem Gebäude alle Türen öffnen. Kern dieser Welt ist die sogenannte „interna ideio“, die innere Idee von Esperanto, wie der Historiker Ulrich Lins erklärt:

„Das ist vielleicht das Wichtigste. Jeder, der Esperanto spricht, der spricht es als Fremdsprache und der weiß, das Gegenüber spricht es auch als Fremdsprache, also als gleichsam neutrale Sprache. Wenn ich mit einem englischen native Speaker spreche, bin ich immer gehandicapt – auch wenn ich sehr gut Englisch gelernt habe. Aber beim Esperanto kommt nie dieses Gefühl des Diskriminiertseins auf."

Menschen, die eine andere Sprache lernen, haben gegenüber Muttersprachlern einen Nachteil, sind gehandicapt. Denn sie beherrschen sie nicht in allen Details wie Muttersprachler. Man fühlt sich dann ein bisschen benachteiligt, diskriminiert. Dieses Gefühl entsteht beim Esperanto aber nicht, kommt nie auf, weil es eine Kunstsprache ist. Die Illusion aber, dass die ganze Welt einmal Esperanto spricht, haben besonders die jüngeren Esperantisten nicht mehr. Sie nutzen Esperanto und eben Englisch und andere Sprachen parallel. So realisierte sich auch die Hoffnung der deutschen Hip-Hop-Band „Freundeskreis“ nicht, die 1999 in ihrem Song „Esperanto“ sang:

„Esperanto, c’est la langue de l’amour / Tour à tour vient à parler / Esperanto / Et à ce jour l’espoir est né …”

„Esperanto ist die Sprache der Liebe nach und nach findet sie Verbreitung […] Und auf diesen Tag richtet sich die Hoffnung …“

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