"Papa geht mal wieder grüne Männchen fangen!" Die sechzehnjährige Jo grinste zu ihrem Zwillingsbruder hinüber und dieser verdrehte die Augen. "Ich warte immer darauf, dass er aufgeregt angestürmt kommt und uns begeistert mitteilt, dass er ein ‚Helloo' empfangen hat." Hannes imitierte täuschend echt die Alien-Stimme aus einer bekannten Limonaden-Werbung.
"Ja, ja, das kommt davon, wenn man zu oft Stargate guckt." Jo nickte ergeben.
"Quatsch, Papa war schon immer ein bisschen...," der Junge machte eine vielsagende Drehbewegung mit seinem Zeigefinger neben der Schläfe. "Ich sehe auch gerne Stargate, bin aber noch immer total normal."
"Glaubst Du?" Jo grinste noch breiter. "Mir gefällt Richard Dean Anderson als Mac Gyver aber viel besser."
"Kannste nicht vergleichen. Als Colonel O'Neill ist er absolut megacool."
Dr. Branner hörte auf der Treppe zum Dachboden, wo er sich sein Arbeitszimmer eingerichtet hatte, die Worte seiner Kinder und musste lächeln. Irgendwie hatten die beiden Recht, sein unermüdliches Forschen nach außerirdischen Lebensformen war schon fast zu einer Sucht geworden. Die Kinder hielten ihn daher für ein bisschen verrückt und auch Lucy, seine Frau zeigte meistens nur ein nachsichtiges Lächeln, wenn er über seine kleinen Beobachtungen berichtete. Er war von Hause aus Mathematiklehrer und leidenschaftlicher Physiker, was ihn für Außenstehende eigentlich immer etwas nüchtern erscheinen ließ. Nur wenn er sich in sein "Reich" zurückzog, wurde er wirklich leidenschaftlich.
Mit Nachdruck schloss er die Türe hinter sich, setzte sich an seinen überdimensionalen, aber dennoch völlig überladenen Schreibtisch und kontrollierte sein Tonbandgerät, welches nur beim Empfang von Geräuschen ansprang.
Wie üblich hatte es nichts weiter als verstümmelte Botschaften diverser Hobbyfunker empfangen und auch das angestrengteste Verrenken seiner Ohren konnte keine ungewöhnlichen Töne oder Nachrichten herbeizaubern.
Seufzend stellte Dr. Branner das Gerät wieder auf Empfang, stand auf und trat an das extra große Dachfenster.
Müde wischte er sich mit den Händen über sein Gesicht, versenkte dann die Hände in den Hosentaschen und starrte in die Schwärze der Nacht. Es war vollkommen bewölkt und das bedeutete, dass er nichts, aber auch rein gar nichts am Himmel würde entdecken können, nur hin und wieder ein Flugzeug im Landeanflug auf den nahegelegenen Flughafen würde sein Sichtfeld passieren. So wie das dort oben.
Mit gerunzelter Stirn betrachtete er das luminiszierende Licht vor der tiefen Nachtschwärze des wolkenverhangenen Himmels. Das Flugzeug musste sehr hoch sein, denn er hatte den Eindruck, als bewege es sich keinen Millimeter von der Stelle.
Noch während er sich wunderte, schwankte der schillernde Farbpunkt hin und her, wobei er ein bezauberndes Farbenspiel in allen nur erdenklichen Facetten des Regenbogens zeigte. Ein merkwürdiges Flugzeug, normalerweise blinkten sie rot und grün, aber eine solch changierende Vielfalt hatte Dr. Branner noch nie gesehen. Er schüttelte den Kopf und musste plötzlich über sich selber lachen. Klar, dass er aber auch manchmal so blind war. Das dort oben musste eine Satellit sein, - obwohl ... schwankte ein Satellit? Nein, der zog langsam und stetig seine Umlaufbahn in großer Höhe über den Erdball, in so großer Höhe, dass er nur bei wirklich klarstem Himmel mit bloßem Auge zu erkennen war.
Kein Flugzeug und kein Satellit, aber um Himmels Willen, was war es dann?
Mechanisch drückte Branner auf den Knopf seiner Funkspruch-Sendeanlage und suchte mit seinem selbstgebauten, sehr leitungsstarken Teleskop den Himmel ab.
Weg! Das wundervoll schillernde Etwas war verschwunden. Es war wohl doch nur eine Sinnestäuschung gewesen.
Ziemlich enttäuscht ließ sich Dr. Branner auf seinem Schreibtischstuhl nieder und schnupperte. Ein merkwürdig schwerer, süßlicher Duft erfüllte fast penetrant sein Büro, gleichzeitig hatte er den Eindruck, dass plötzlich das ganze Zimmerchen von unzähligen, unsichtbaren Personen bevölkert war.
Er rang nach Luft und sah sich suchend um, da wurde ihm bewusst, dass ein in allen Farben der Natur schimmerndes Etwas ohne Körper oder feste Form durch den Raum waberte. Es floss auseinander und zog sich wieder zusammen, schwabbte hierhin, flutschte über den Boden und glitt dorthin, nervös wie ein neugieriges Kind, welches eine fremde Umgebung zu erkunden sucht. Schließlich ergoss es sich auf seinen Schreibtisch, floss zu ihm herüber und hüllte ihn vollständig ein. Der Mann bäumte sich auf, er dachte, er müsse von innen her verglühen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, weil er glaubte, sein letztes Stündlein habe geschlagen, insbesondere, da er sich plötzlich selber gegenüberstand.
"Hallo, tut mit leid, wenn ich dich erschreckt habe." Das Aussehen war sein Spiegelbild, doch die Stimme klang irgendwie blechern, wie die einer Karussellbetreiberin auf dem Jahrmarkt, nur nicht so penetrant laut. - Und sie war eindeutig weiblich.
"Du bis Robert," sagte sein zweites ich. "Ich bin Njeferja und komme von Gujachu aus dem siebten Quadranten des Sonnensystems ...", das Wesen stockte, runzelte die Stirn und murmelte: "Ich brauche es Dir nicht zu erklärten, ich spüre, dass Deine Denkmasse keinerlei Wissen über unser System gespeichert hat."
Dr. Branner überhörte den leisen Vorwurf bezüglich seiner Dummheit und fragte, noch immer ziemlich perplex stammelnd: "Wieso siehst Du aus, wie ich?"
"Ich habe Dich abgetastet und weil ich der Meinung bin, dass Du weniger Angst vor mir hast, wenn ich aussehe, wie Deine Art, habe ich Dein Bild gewählt."
"Nett, aber wie siehst Du selber aus?"
Es schien alle seine Gehirnwindungen, die es offenbar genauso angenommen hatte, wie seine Gestalt, zu durchforsten. "Ihr würdet es als Lichtquelle bezeichnen, aber ich merke schon, Du findest es nicht ansprechend, wenn ich wie Du aussehe. Findest Du mich so besser?" Der Blick des Wesens ging zu einem gerahmten Foto an der Wand, auf dem Dr. Branner mit seiner Professorin und einigen Kommilitonen zu erkennen war. Branner glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er sah, wie seine Form zerfloss und sich das Wesen in Dr. Brenda Miller verwandelte.
"Oh wow, kannst Du Dich in jede Form verwandeln, die Du siehst?"
"So sie lebendiger Art ist schon. Könnt denn ihr Wesen von diesem blauen Planeten das etwa nicht? Wie langweilig, dann seht ihr ja immer gleich aus."
"Nicht unbedingt, der Zahn der Zeit verändert einen schon."
"Welcher Zeitzahn?"
"Na, wenn wir altern, verändern wir schon ein wenig unser Aussehnen, aber nicht so, so radikal, wie Du das machst."
"Was ist altern?" Hastig schienen wieder seine Gehirnwindungen durchforstet zu werden und geduldig erklärte Dr. Branner dem neugierig lauschenden Fremdling die "biologische Uhr."
"Hach, das ist aber drollig. Meinst Du, ob ich wohl auf Eurem Planeten bleiben kann? Nach Hause kann ich nämlich nicht zurückkehren."
"Warum denn das nicht?" Dr. Branners Neugier auf die Welt seines Extraterristen wuchs, doch das Wesen, noch immer in der Gestalt seiner Professorin lächelte überlegen und auch ein wenig Stolz: "Weil ich von dort geflohen bin, um dem Marinaka zu entgehen."
"Wie bitte?" Dr. Branner war ein deutliches Fragezeichen, während es ganz offensichtlich wieder in seinen Gehirndaten blätterte, denn plötzlich erhellte sich sein Gesicht und es flüsterte: "Bei Euch nennt man es Opfer um einen Gott zu besänftigen."
"Um Gottes Willen, Menschenopfer gibt es bei uns schon lange nicht mehr, das heißt, in den zivilisierten Kulturen nicht."
"Hm, so wie Du das sagst, klingt es ziemlich überheblich." Es schwieg eine lange Zeit, runzelte immer wieder die Stirn, schüttelte ab und an den Kopf und erklärte schließlich: "Jetzt habe ich mir Dein ganzes Wissen angesehen, aber ich verstehe es nicht. Dein Kopf ist vollgestopft mit Bildern, mit Wissen, mit Daten und Fakten, aber es herrscht ein solches Durcheinander, wie es noch nicht mal im Kopf eines Rak-Scha-i gesehen habe." Es lächelte: "Ein Rak-Scha-i ist ein Unwissender, jemand, der sein Wissen ohne Sortierung lässt. Furchtbar, ein Rückgreifen darauf ist dann grauenvoll schwierig."
Verständnislos klappte Branner den Mund auf, ohne einen Ton hervorzubringen und kalt lächelnd sprach Njeferja weiter: "Ihr seid nach allem, was ich bisher von Dir erfahren habe, eine überaus primitive Rasse. Eure Körperdaten sind einfache Zellstrukturen und Euer Wissen könnt ihr nicht mal richtig sortieren, geschweige denn vererben. Jeder neue Körper muss erst alles lernen, wie rückständig. - Erzähl mir, warum es sich lohnt, als Mensch auf diesem Planeten zu leben. Ich muss das alles wissen, wenn ich hier bleiben will."
Jetzt kam Dr. Branner in Fahrt. Begeistert beschrieb er die Schönheiten der Erde, die Vielfältigkeit in Flora und Fauna, die unendlich unterschiedlichen Landschaftsformen und Klimabereiche und er erzählte, wie der Mensch sich die Erde im Laufe der Jahrtausende immer nutzbarer gemacht hatte.
Das fremde Wesen verzog immer verächtlicher die Mundwinkel. Ganz offensichtlich hatte es mit einem Großreinemachen in den kopierten Gehirnwindungen begonnen, denn plötzlich unterbrach es den Edling in scharfem Ton: "Als ob ihr Euch jemals etwas untertan gemacht hättet. Was ich in Deinem Wirrwarr von Informationen gesehen habe, lässt mich schaudern. - Ihr beutet die Natur aus, ihr verschmutzt die Umwelt und wollt die Herrscher über alles sein. Pah, ihr seid dumme, ignorante Kleingeister."
Verblüfft hielt Dr. Branner die Luft an. In diesem Augenblick schrillte das Telefon, was dem Fremdling ein erschrockenes Aufquietschen entlockte. Rasch wich es einige Schritte zurück. "Was für ein Unterweltgerät ist das?"
"Nur ein Telefon, Du Intelligenzbestie!" Branner nahm den Hörer ab, lauschte auf die Stimme seiner Frau, die ihm mitteilte, dass er das Abendessen trotz mehrmaligem Rufen versäumt hatte und dass sie nun mit den Kindern zur Chorprobe müsste.
Neugierig hatte sich Njeferja genähert und lauschte fasziniert: "Totes kann bei Euch sprechen?"
"Quatsch, das ist ein Kommunikationsapparat."
"Wozu braucht man denn so was? Das kann man doch auch mit der Denkmasse machen."
"Ihr auf Eurem komischen Planeten vielleicht, wir aber nicht!" Dr. Branner war nun doch langsam ein wenig genervt von seinem Besucher, der jetzt, wie ein neugieriger Hund, das Telefon beschnüffelte, den Hörer in die Hand nahm, lauschte und ihn, als es das langgezogene Freizeichen hörte, entsetzt fallen ließ. "Igitt, garstig, garstig. - Wohin gehst Du?"
"Essen!" knurrte Branner kurz und marschierte aus dem Raum. Er spürte, dass das Wesen ihm neugierig folgte. Es sah drollig aus, wie es die Treppe geistergleich hinunterglitt und der Mann musste sich ein Lachen verbeißen.
In der Küche stand ein Teller mit belegten Broten, die das Wesen sofort in Augenschein nahm, sich angewidert schüttelte und aus sicherer Entfernung beobachtete, wie Dr. Branner es sich schmecken ließ. Es wollte voller Abscheu wissen, warum er diese merkwürdige Handlung vornahm. Scheinbar schienen bezüglich Nahrungsaufnahme keinerlei Daten in seiner Gehirnkopie vorhanden zu sein.
Geduldig erklärte der Mensch dem Kerlchen, welches noch immer penetrant nach Dr. Brenda Miller aussah, aber dennoch so gar keine Ähnlichkeit mit der Frau hatte, die Notwendigkeit von Essen, Trinken und Schlafen für den menschlichen Organismus, was den Fremdling zu der Frage veranlasste: "Müsste ich das etwa auch, wenn ich hinerbliebe?"
Branner zuckte mit den Achseln. "Woher soll ich das wissen? Möglich, denn Du hast ja jetzt einen menschlichen Körper. Inwieweit er die gleichen Funktionen wie ein normaler Körper hat, weiß ich nicht." Der Mann hatte sein Mahl beendet und schaute auf die Uhr, die er seinem Gast natürlich auch erst erklären musste, aber nicht viel, denn es schien die Daten über Zeit sofort zu finden und meinte beiläufig: "Ordnung ist eben alles."
Entnervt blies Branner die Backen auf, erhob sich, um ins Wohnzimmer zu gehen und stellte den Fernseher an. "Das ist ein Fernseher und ich sehe mir jetzt die Nachrichten über das Weltgeschehen an. Ein Fernseher ist..."
"Schon gut, ich sagte doch, dass ich Deine Denkmasse ein bisschen aufgeräumt habe. Ich weiß, was ein Fernseher ist. Die Daten waren leicht zu sortieren."
"Na wundervoll, dann wirst Du jetzt sicherlich in den nächsten paar Minuten nicht noch weitere Fragen stellen müssen, zumindest solange ich die Nachrichten sehe."
Dr. Branner schüttelte leicht den Kopf. Gerne hätte er sich mehr auf den Nachrichtensprecher konzentriert, doch sein Besucher lenkte ihn enorm ab, auch wenn er keine Fragen stellte.
Fasziniert starrte das Wesen, dessen Augen das Fernsehbild in geradezu krasser Schärfe wiederspiegelten, in das Geflimmer.
Nach einer Weile konnte Dr. Branner ihm eine gewisse Nervosität und auch eine gehörige Portion Abscheu anmerken.
Als eine weibliche Stimme endlich das Wetter verlas, wandte sich Njeferja an seinen Gastgeber, holte tief Luft und fragte: "Welche kranke Denkmasse ersinnt solche Grausamkeiten und schickt sie von Haus zu Haus?"
"Wie bitte?" Branner sah es überrascht an. "Das waren die Nachrichten und keine ausgedachten Geschichten."
"Und Du willst mir erzählen, bei Euch gibt es keine Menschenopfer mehr? Was waren das alles für Tote, die wir gesehen habe, wenn es keine Phantasiegeschichte war? Das muss ein grässlich mächtiger Gott sein, dieser Krieg!"
"Krieg ist kein Gott, Krieg ist, wenn zwei oder mehr Parteien sich um etwas streiten." Der Mann spricht von Eroberungsfeldzügen, von Religionskriegen und Streitigkeiten um Grenzverläufe.
Njeferja begreift sehr schnell und schüttelt sich: "Igitt, das ist ja die primitivste Art der Auseinandersetzung, die es geben kann. Findet Ihr Menschwesen das in Ordnung?
"In Ordnung, in Ordnung. Natürlich findet niemand Krieg in Ordnung, aber er lässt sich nicht immer vermeiden. Manchmal ist es die einzige Möglichkeit einen Konflikt angemessen beizulegen."
"Indem man Hunderte, ja Tausende Eurer Rasse opfert? Na, da ist mir doch unser Marinaka lieber. Da wird lediglich ein besonders reines Wesen auserkoren, die Opfergabe zu sein, und schon herrscht wieder für lange Zeit friedliche Ruhe. Unsere Götter haben jegliche Gedanken an Neid, Feindschaft, Hass und andere giftige Gefühle aus unseren Köpfen genommen und wenn sich wieder etwas ansammelt, opfern wir und alles ist wieder rein." Es schüttelte den Kopf, dachte nach, dann wollte es wissen: "Was Ihr Religion nennt, ist auch etwas, das ich nicht verstehe und schon gar nicht, dass darum gekämpft wird."
"Das ist aber doch das, was am leichtesten zu verstehen sein sollte," ereiferte sich Dr. Branner und begann in Kurzform die Menschheitsgeschichte bei Adam und Eva.
Njeferja sortierte anscheinend während des Hörens die Denkmasse erneut um und starrte gleichzeitig auch noch angestrengt auf den Fernseher. Plötzlich begann es zu kichern, als es erkannte, wozu Autos und Motorräder dienen. "Müsst Ihr Euch dieser komischen, lauten Dinger bedienen, um Euch fortzubewegen?"
Branner war ein wenig beleidigt. "Wir haben auch Flugzeuge und Raketen!" Njeferja kicherte noch immer. "Euer kleiner Geist ist also noch nicht mal in der Lage, Euch von einem Ort zum anderen zu bringen? Wir denken uns fort." Es stockte. "Lediglich wenn wir unseren Planeten verlassen wollen, müssen wir uns durch Fluggeräte schützen, sonst würden wir in unserer Lufthülle verdampfen."
Wieder betrachtete es den Fernsehschirm und was es sah schien ihm nicht zu gefallen. Rauchende Schornsteine schienen dem Wesen Atembeschwerden zu verursachen, Schüsse und Musik ängstigten es.
Erst als Dr. Branner mit der Fernbedienung die Idylle eines Korallenriffs gefunden hatte, entspannte sich Njeferja, deutete nach einer Weile Richtung Flimmerkiste und strahlte: "Das da ist meine Welt, so ruhig und friedlich. So musst Du Dir meine Welt vorstellen. Dort möchte ich hin."
"Ach, bist Du denn ein Wasser- ähm, Wasserlebewesen?"
"Was ist Wasser?" Es wartete keine Antwort ab, und schüttelte den Kopf. "Nein im Wasser kann ich nicht leben, ich brauche Luft zum Energien tanken." Es schoss einen kleinen Lichtblitz aus seinen Augen Richtung Fernsehgerät und dieses ging aus. "Ein grässlicher Kasten, mache ihn nicht wieder an, wenn ich dabei bin."
Dr. Branner war erschrocken. "Hast Du ihn jetzt etwa kaputt gemacht?"
"Nur den Lebenssaft, den ihr Strom nennt, genommen."
"Na hoffentlich, so ein Ding ist nämlich ziemlich teuer und der ist noch ganz neu." Argwöhnisch beäugte er das Gerät und schaltete es noch einmal ein. Erleichtert erkannte er, dass das rote Lämpchen der Stromversorgung noch brannte.
Njeferja war aufgestanden und rollte irgendwie schwebend durch den Wohnraum, blieb vor der Bücherwand stehen, verdrehte die Augen und brummte: "Aufwendige Art, das Menschheitswissen zu speichern. Wofür habt Ihr eigentlich Eure Denkmasse?" Es wanderte weiter und blieb vor einem Gemälde stehen. "Das finde ich sehr hübsch, aber warum ist alles so starr?"
Dr. Branner erzählte ihm ein wenig von Kunst, die ein weites Spektrum im menschlichen Dasein ausmacht. Er sprach von Malerei, Bildhauerei, aber auch Architektur und gerade wollte er noch weiter ausholen, als er die Haustür hörte. "Los, nach oben, meine Familie will ich nicht unbedingt mit Dir erschrecken."
Er eilte die Treppe zum Dachboden hinauf und stieß hastig die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf, drehte sich um und stellte erschrocken fest, dass Njeferja nicht hinter ihm war. "Mist!" brummte er, doch sogleich konnte er erleichtert aufatmen, als er seinen Gast bereits in seinem Raum erkannte. "Wo kommst Du denn schon her? Ich dachte für einen Moment, Du wärst unten geblieben."
"Ich hätte mir das, was Du Familie nennst, gerne einmal angesehen, aber ich will keinen Krieg auslösen. Ihr Menschen seid noch nicht ausgereift genug, um Kontakte mit anderen Welten aufzunehmen. Als ich Deinen Ruf empfing, dachte ich, ich hätte es mit einer intelligenten Spezies zu tun, aber das war ein Irrtum. Nach allem, was ich Deiner Denkmasse entnehmen kann, seid Ihr ziemlich unterentwickelt und noch lange nicht in der Lage, Eure Möglichkeiten auszuschöpfen. Hinzu kommt, dass ihr Eure Potentiale mehr auf Eure eigene Zerstörung richtet, als auf die Sicherung und Fortentwicklung Eurer Rasse. Ich will ehrlich sein, mir gefällt Euer Planet an sich ganz gut, aber seine Lebewesen sind Parasiten und erst wenn es kein Leben mehr hier gibt, ist er in Ordnung. Ich mag hier nicht bleiben und werde mich jetzt in meinen Transporter begeben und weitersuchen, ob ich einen anderen Planeten finde, einen der Bewohner hat, mit denen zusammen es sich zu leben lohnt, die Körper haben, die nicht so empfindlich sind, wie die Euren und die Frieden mit sich, ihrer Welt und allem um sie herum gefunden haben. Die Kopie Deiner Denkmasse nehme ich mit, vielleicht kann sie mir nützlich sein, wenn ich doch noch in meine Heimat zurückkehren muss. Und damit Du mich nicht vergisst, schenke ich Dir dieses Spielzeug."
Wie hingezaubert lag plötzlich ein schillernder Stein auf Njeferjas Hand. Das Wesen reichte ihn seinem Gastgeber und dieser zuckte zusammen. Was wie ein Stein aussah, fühlte sich warm, weich, ja fast flüssig und irgendwie lebendig an. Das Wesen grinste: "Mra wird zu allem, was Du möchtest. Du brauchst nur intensiv zu denken und diese Gedanken auf es zu übertragen. Probiere es aus."
Dr. Branner verzog das Gesicht. Jetzt wurde es haarsträubend, doch er dachte an einen Ring und schwups lag auf seiner Hand ein wunderschöner Ring, der sich aber noch immer warm, weich und lebendig anfühlte.
Er versuchte es mit dem Gedanken an einen Stern und siehe da, sofort verwandelte sich Mra. "Lustig, ich danke Dir vielmals. Was muss ich beim Umgang mit Mra beachten?"
Njeferja lächelte: "Gar nichts, leg es in ein Glas, wenn Du nicht damit spielst und denke an mich, wenn Du Dich mit ihm beschäftigst."
Das Wesen löste sich auf und der Mann hatte wieder diesen merkwürdigen Geruch in der Nase, der das Wesen angekündigt hatte, dann war der Spuk verschwunden.
Er blies die Backen auf, rieb sich über die Augen und überlegte, ob er wohl eingeschlafen war. Er sah sich in dem leeren Raum um und dachte, dass er wohl entweder geträumt haben musste oder im Begriff war, verrückt zu werden, doch als er ein Kribbeln in seiner Hand verspürte, erkannte er, dass Mra noch immer da war und dass er ganz offensichtlich nicht geträumt hatte. Er überlegte, ob er seine Familie in sein Geheimnis einweihen sollte, entschied sich aber dagegen, denn wie hatte Njeferja gesagt, die Menschheit ist noch nicht so weit, um mit Außerirdischen in Kontakt zu treten und irgendwie musste Dr. Branner dem Wesen Recht geben, denn sogar er, der bisher nur für diesen Traum gelebt hatte, hatte aus der Begegnung keinerlei Nutzen ziehen können. Er hatte noch nicht mal den Namen des Sonnensystems aus dem sein kleiner Freund stammte, in Erfahrung gebracht.
Er nahm einen Stift zur Hand, um die Begegnung in allen Einzelheiten schriftlich festzuhalten. Sinnend schaut er zum Dachfenster hinaus und glaubte noch für einen Moment einen schillernden Punkt in den Wolken verschwinden zu sehen.