In Deutschland werden manche Sportlerinnen und Sportler, die das Land bei internationalen Wettkämpfen vertreten, besonders gefördert. Wie sieht die Spitzensportförderung genau aus und welche Bedingungen gibt es?

Zitatorin:
„Deutschland ist ein sportbegeistertes Land. Den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend konzentriert sich die Sportförderung des Bundes auf den Spitzensport sowie solche herausragenden Aktivitäten, an denen ein gesamtstaatliches Interesse besteht.“

Sprecher:
Dieses Zitat von der Internetseite des Bundesinnenministeriums, zu dessen Zuständigkeitsbereich auch der Sport gehört, gibt die Haltung der Bundesregierung wieder: Wer also als Sportlerin oder Sportler in Deutschland finanzielle Unterstützung vom Staat bekommen möchte, muss Leistung in einem Bereich bringen, der im Interesse des Landes, im gesamtstaatlichen Interesse, ist. Das bedeutet, Sportbereiche, in denen deutsche Sportler Erfolge feiern, werden staatlich gefördert. Und Erfolg drückt sich unter anderem im „Medaillenspiegel“ aus. In dieser Tabelle werden die Anzahl und die Verteilung von Medaillen auf die teilnehmenden Länder eines Wettbewerbs aufgeführt. Sind Sportlerinnen und Sportler möglichst oft auf den drei ersten Rängen internationaler Wettbewerbe zu finden, ist das gut für das Ansehen des Landes selbst. Da liegt die Vermutung nahe, dass der Staat konkrete Bedingungen in Form von gewonnenen Medaillen stellt. Gerhard Böhm, Leiter der Abteilung Sport im Bundesinnenministerium, weist das zurück und gibt zu bedenken:

Gerhard Böhm:
„Die Politik gibt keine Vorgaben, wie viele Medaillen gemacht werden. Aber die Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit ist schon: Wenn wir eine Olympiamannschaft zu Olympischen Spielen schicken, dann ist natürlich ein Erfolg nur dann gegeben, wenn möglichst viele Medaillen gewonnen werden. Alles andere ist doch Unsinn!“

Sprecher:
Gerhard Böhm stellt fest, dass das Bundesinnenministerium seine Förderung nicht davon abhängig macht, wie viele Medaillen die Sportlerinnen und Sportler gewinnen sollen. Die Politik mache hier keine Zielvorgaben. Etwas anders sehe das in der Bevölkerung aus. Hier würde erwartet, dass das eigene Länderteam möglichst erfolgreich sei, ein Erfolg gegeben sei. Und für Gerhard Böhm ist verständlich, dass man darauf hofft. Alles andere wäre Unsinn, wäre Quatsch. Im Jahr 2013 stellte allein das Bundesinnenministerium Sportorganisationen und -verbänden sowie Sporteinrichtungen mehr als 130 Millionen Euro für die Spitzensportförderung zur Verfügung. Das war etwa die Hälfte der insgesamt 250 Millionen Euro, die weitere Bundesministerien für Sportförderung ausgegeben haben. Kritiker bemängeln, dass das deutsche Sportfördersystem nicht sehr wirkungsvoll ist. Zu ihnen gehört der Sportwissenschaftler Arne Güllich, der als Professor an der Technischen Universität Kaiserslautern lehrt:

Arne Güllich:
„Viele der Strukturen, die in der Bundesrepublik aufgebaut worden sind, sind Versuche, DDR-Strukturen nachzuahmen. Prüft man sie empirisch, dann stellt sich als zentrales Ergebnis heraus, dass sie außerordentlich kostenintensiv sind, aber die Erfolge unter den heutigen Bedingungen einer offenen Gesellschaft nicht gesteigert haben.“

Sprecher:
Nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten ist nach Ansicht von Professor Arne Güllich versucht worden, ein ähnliches System der Sportförderung aufzubauen, wie es das in der früheren DDR gab. Dort wurde der Sport staatlich intensiv gefördert. Erfolgreiche Spitzensportler sollten dafür sorgen, dass das Ansehen, das Prestige, des kommunistischen Staates im Ausland stieg. Seit dem Ende der DDR ist diese Prestigefrage nicht mehr wichtig. Das heutige Deutschland mit seiner demokratischen, offenen, Gesellschaft muss sich nach Meinung von Professor Arne Güllich nicht über Erfolge im Sport ein internationales Ansehen verschaffen. Entsprechende wissenschaftlich ermittelte, empirische, Prüfergebnisse zeigten zudem, dass die Art und Weise der heutigen Spitzensportförderung in Deutschland viel Geld koste, kostenintensiv, sei. Obwohl viel Geld ausgegeben werde, seien nicht mehr deutsche Sportler auf Medaillenplätzen zu finden. Doch wie weit kann und will eine moderne Demokratie überhaupt für den Erfolg gehen? Soll auf Sportler Druck ausgeübt werden, indem sie bestimmte Zielvorgaben bekommen oder nur dann gefördert werden, wenn sie viele Medaillen für Deutschland gewinnen? Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, Michael Vesper, meint dazu:

Michael Vesper:
„Spitzensport ohne Druck ist nicht denkbar. Jeder Spitzenathlet, jede Spitzenathletin macht sich selber sehr viel Druck. Zu glauben, dass man bei Olympischen Spielen antritt, um Letzter zu werden, ist naiv. Wichtig ist eben, dass die Leistung dennoch allein mit sauberen Mitteln erzielt wird.“

Sprecher:
Michael Vesper meint, dass es gar nicht nötig ist, staatlichen Druck auf Sportlerinnen und Sportler auszuüben. Sie würden sich schon selbst unter Druck setzen, sich selbst Druck machen. Beide Formulierungen sind in der Alltagssprache sehr gebräuchlich, um auszudrücken, dass jeder sich selbst zwingt, eine besondere Leistung zu bringen. Leichtgläubig, naiv, ist für Michael Vesper jemand, der meint, Spitzensportler würden an Wettbewerben wie den Olympischen Spielen teilnehmen, ohne dass ihnen das Gewinnen wichtig wäre. Wichtig für ihn ist dabei allerdings eines: Keiner solle leistungssteigernde Medikamente nehmen, dopen, um erfolgreich zu sein. Die Leistung müsse mit sauberen Mitteln erzielt werden. Einen „sauberen“ Sport hätten auch die Unternehmen gern, die unter anderem Sportlerinnen und Sportler sponsern, sie finanziell unterstützen. Stephan Althoff, Leiter des Konzernsponsoring bei der Deutschen Telekom, macht deutlich, worauf es ihm ankommt:

Stephan Althoff:
„Wir möchten, dass der Sport seine Grundwerte, die er jetzt über viele Jahrhunderte mitgetragen hat – Fairness, Toleranz, ein respektvoller Umgang miteinander –, dass er die auch zukünftig hat.“

Sprecher:
Spitzensportler selbst scheinen ihre Situation höchst unterschiedlich zu erleben: Einige sprechen von zusätzlichem Druck durch Verbände. Andere, wie der Weltmeister von 2009 im Säbelfechten, Nicolas Limbach, sehen trotz Nachteilen auch Vorteile der Sportförderung:

Nicolas Limbach:
„Ökonomisch kann man sagen: Ich bin später mit der Ausbildung fertig, ich fang’ später an zu arbeiten, ich fang’ später an, Geld zu verdienen, zahl’ später in die Rentenkasse ein. Aber das, was ich alles bekomme – die Reisen, die Erlebnisse –, das hätte ich vielleicht so nicht gehabt. Und das ist unbezahlbar.“

Sprecher:
Spitzenleistung im Dienste der Bundesrepublik zu erbringen, hat für Nicolas Limbach einen großen Nachteil: einen wirtschaftlichen. Denn einen ökonomischen Vorteil hat, wer direkt nach der Schule eine Ausbildung beginnt, dann eine Arbeit findet, Geld verdient und einen Teil seines Verdienstes für seine Rentenversicherung zahlt, in die Rentenkasse einzahlt. Spitzensportler, die beispielsweise nicht an besonderen Hochschulen parallel studieren, können erst nach Ende ihrer aktiven Karriere ein Leben außerhalb des Sports aufbauen. Für Nicolas Limbach gibt es aber auch einen sehr großen Vorteil: Er macht Erfahrungen und Reisen, die er sonst vielleicht nicht gemacht hätte. Und das ist für ihn sehr viel wert, es ist unbezahlbar.

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