Modedesigner entwerfen die Vorlagen für Kleidung nicht mehr wie früher mit Schere und Nadel, sondern mit dem Computer. Das Ergebnis können sie sich aber genau vorstellen. Eine Software macht’s möglich.

Ein Model läuft über den Laufsteg und kehrt zurück. Das Kleid schwingt dabei mit und wirft Falten. Es sieht aus wie in der Realität. Aber die Szene ist nur eine genaue Nachbildung einer realen Situation, eine Simulation. Denn das Model und das Kleid gibt es nur im Computer, dreidimensional – in 3D. In der Bekleidungsindustrie gehören nämlich Schere, Nadel und die Schneiderpuppe zum Anprobieren der Kleidung weitgehend der Vergangenheit an. Modeschöpfer entwerfen heute ihre Kollektionen mit Maus und Tastatur am Computerbildschirm. Dabei hilft ihnen eine Software, die Jörn Kohlhammer mit seinen Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Grafische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt entwickelt hat. Eine reale Situation abzubilden, ist aber gar nicht so einfach, wie Jörn Kohlhammer erläutert:

„Es ist ‘ne komplexe Angelegenheit, die natürlich ganz anders ist als bei Stahl und rigiden Materialien, wie wir sagen. Das heißt, Textilien haben ‘ne eigene Struktur: ‚Kette und Schuss‘, sagt man in der Branche. Das heißt, je nachdem, wie die Fasern verarbeitet sind und auch welche Elastizität diese Fasern haben, fällt der Stoff anders, er zieht sich auch anders, wenn er bewegt wird. Das heißt, ob ich ‘nen Jeansstoff habe oder Seide, ist natürlich ein himmelweiter Unterschied. Das alles in ‘n Simulationsmodell hineinzubekommen, das war viel Arbeit.“

Es ist anders, Stoff zu verarbeiten, als starre, rigide, Materialien. Es ist – wie Jörn Kohlhammer sagt – eine komplexe Angelegenheit, also etwas, bei dem viele unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden müssen. Dazu gehört beispielsweise, welche Struktur die Stofffaser hat. In der Branche spricht man – wie Jörn Kohlhammer erläutert – von Kette und Schuss. Fäden in Längsrichtung heißen „Kette“ oder „Kettfäden“, Fäden in Querrichtung heißen „Schuss“ oder „Schussfäden“. Je nachdem, welche Kettfäden beim Weben angehoben beziehungsweise gesenkt werden, entstehen unterschiedliche Gewebestrukturen. Diese können dehnbar, elastisch, oder weniger dehnbar sein. Und je nachdem, um welchen Stoff es sich handelt, fällt ein Kleidungsstück auch anders. Das bedeutet, abhängig von Gewicht und Stoffstruktur bewegt sich der Stoff anders. Denn ein steifer Jeansstoff hat einen anderen Fall als ein weicher Stoff wie Seide oder Samt. Dass der Unterschied sehr groß ist, macht Jörn Kohlhammer mit der umgangssprachlichen Wendung „Das ist ein himmelweiter Unterschied“ deutlich. Die Programmierer hatten daher die Aufgabe, die einzelnen Stoffe sowie deren Fall möglichst naturgetreu zu simulieren. Wie das aussieht, demonstriert Jörn Kohlhammer an einem Beispiel:

„Gerade in der Bewegung, wenn wir jetzt hier mal grad sehen, das ist ‘n relativ weicher Stoff. Wir haben sofort ‘n Gefühl dafür, welche Art von Stoff das wohl ist, vielleicht so ‘ne samtartige Stoff-Art. Wenn es jetzt Jeans wäre, dann würde ich ‘n sehr viel flacheres Bild sehen. Und auch die Faltenwürfe hier mit den Schattenwürfen ist extrem wichtig für die Designer, dann auch zu entscheiden: ‚Ist das jetzt der Faltenwurf, den ich möchte, oder nicht?‘“

Für Modedesigner gehört es zu den schwierigsten Aufgaben: Stofffalten und deren Schatten zu zeichnen, wenn man sich diese nur vorstellt und keine entsprechende Vorlage hat. Noch schwieriger ist es, dies im Computer zu simulieren. Da stellen sich Fragen wie: Welcher Stoff wirft welche Falten und welche Schatten, damit das Kleidungsstück echt aussieht? In der 3D-Simulation erscheint eine Jeans beispielsweise flach, weil sie wenig Falten und Schatten wirft. Die Programmierer wollen den Anwendern aber auch die Arbeit erleichtern, wie Jörn Kohlhammer erläutert:

„Was man aber dann tut, um das Bild wirklich möglichst realistisch zu machen für ganz bestimmte Textilien, um es echtzeitfähig zu machen, ist, dass man schon ‘n paar Heuristiken verwendet, auch um jetzt nicht jede Faser einzeln zu simulieren, sondern eine schnelle und flüssige Simulation hinzubekommen.“

Damit man weiß, wie ein Kleidungsstück aussehen könnte, wenn es jemand trägt, wird mit dem Verfahren der Heuristik gearbeitet. Ohne alle Informationen über etwas zu haben, mutmaßt man und zieht dann eine Schlussfolgerung. Übertragen auf die 3D-Simulation eines Kleidungsstücks bedeutet das, dass der Computer nicht Millionen von Fasern berechnet. Er verallgemeinert und betrachtet das Stoffverhalten als Ganzes. Am Ende steht eine sogenannte Echtzeitsimulation. Das Modell reagiert ohne Verzögerung wie in der Realität, „in Echtzeit“. In der Praxis geht ein Modedesigner dann auf dem Computer ganz ähnlich vor wie ein klassischer Schneider: Er beginnt seinen Entwurf mit dem Schnittmuster. Dann errechnet der Computer anhand der Schnitte wie das Kleidungsstück an dem jeweiligen Menschen aussieht. Anschließend werden am Bildschirm auf den Schnittmustern die einzelnen Nähte zusammengeführt. Der Stoff wird praktisch virtuell vernäht. So entsteht auf dem Bildschirm an einer virtuellen Kleiderpuppe Stück für Stück ein komplettes Kleid. Nun muss es nur noch hergestellt werden. Und auch hier hat die 3D-Technologie schon Einzug gehalten: Das Kleidungsstück der Zukunft kommt aus dem 3D-Drucker …

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