Nach Karneval ist es wieder soweit: Manche Deutsche fasten. Zum Fasten der etwas anderen Art, ruft jährlich die Evangelische Kirche auf. Ziel der Aktion ist keine Reinigung des Körpers, sondern des Bewusstseins.

Jedes Jahr verzichten Millionen Menschen in Deutschland von Aschermittwoch bis zum Samstag vor Ostern, dem Karsamstag, auf bestimmte Speisen, aufs Fernsehgucken oder auf Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten. Der Verzicht bedeutet für Fastende eine konkrete Herausforderung: standhaft zu sein, sich in Selbstdisziplin zu üben, indem man widersteht. Außerdem gibt das Fasten nach Ansicht der Kölner Gemeindepfarrerin Christiane Birgden jeder und jedem einen gewissen Denkanstoß:

„Zu gucken, was gibt es denn in meinem Leben für kleine Süchte, für Dinge, wo es sich mal lohnt drüber nachzudenken, um freier zu werden – das finde ich, ja, ‘n tollen Ansatz, der auch jedes Jahr für mich herausfordernd ist.“

In der Regel wird Fastenden erst bewusst, dass sie sich schon so sehr an etwas gewöhnt haben, wenn sie darauf verzichten. Es sind die kleinen Süchte, also zum Beispiel die tägliche Tafel Schokolade etwa oder die Zigarette nach dem Essen. Christiane Birgden empfindet es als eine sehr gute Idee, einen tollen Ansatz, wenn Menschen bewusst fasten, um sich – zumindest für 40 Tage – von ihren Gewohnheiten zu verabschieden. Im Jahr 1983 rief die Evangelische Kirche eine besondere Fastenaktion ins Leben: „7 Wochen ohne“. Das Besondere: Es geht nicht darum, in den Tagen vor Ostern etwas wegzulassen, sondern es geht ums „Ohne“, also sich bestimmter Denk- oder Verhaltensmuster bewusst zu werden und sich von diesen zu verabschieden, „ohne“ sie zu leben. Denn dann, so heißt es auf der Internetseite von „7 Wochen ohne“, „finden wir den Weg in die Gewohnheit vielleicht gar nicht wieder zurück – und gehen einen neuen“. Wie wichtig das auch bei Jugendlichen ist, verdeutlicht Christiane Birgden anhand eines Beispiels:

„Ein Junge sagte ein so ‘n Satz: ‚Ich muss immer erreichbar sein‘. Also, der Terror, den diese ständige Erreichbarkeit, unter der ich auch im Gemeindepfarramt sehr leide, das mal infrage zu stellen: Muss das eigentlich so sein? Das ist für mich ‘n ganz modernes Fasten, was aber ganz beim Kern des Fastens an sich ist.“

Die Gemeindepfarrerin findet, dass sich auch Jugendliche die Frage stellen sollten, ob sie bestimmte Denkweisen und Verhaltensmuster ändern können. Ob sie sich beispielsweise unter Druck setzen, sich terrorisieren, lassen, für andere ständig telefonisch erreichbar zu sein. Für Christiane Birgden ist der bewusste Verzicht auf gewohnte Denkweisen oder Verhaltensmuster eine moderne Form des Fastens, die eigentlich mit der Grundidee, dem Kern, übereinstimmt: Verzicht zu üben. Bei der Aktion „7 Wochen ohne“ gibt es jedes Jahr besondere Themen. Deutlich werden die in der Regel durch das passende beigeordnete Motto, wie beispielsweise „Verschwendung! 7 Wochen ohne Geiz“, oder „Ich war‘s! 7 Wochen ohne Ausreden“. Die moderne Aufmachung und die Themen haben laut Arnd Brummer, dem Leiter der Fastenaktion, auch Auswirkungen darauf, wer sich an der Fastenaktion beteiligt:

„Die kommen aus allen Schichten der Bevölkerung, inzwischen wieder aus allen Altersgruppen. Weil wir die Mottos in den letzten Jahren etwas zugespitzt haben, haben wir ‘ne deutliche Verjüngung.“

Um auch jüngere Menschen zu erreichen, eine Verjüngung hinzubekommen, werden besondere Mottos gesucht: solche, die auch junge Menschen ansprechen und die zudem durch ihre Formulierung ein Thema auf den Punkt bringen, es zuspitzen. So war das Motto 2014 bewusst provokant gewählt: „Selber denken! 7 Wochen ohne falsche Gewissheiten.“ Es ging darum, vieles von dem, was man gehört, gelesen oder gesagt bekommt oder bekommen hat und was sich ungeprüft im Kopf festgesetzt hat, zu überdenken. Arnd Brummer findet, dass die Geschichte uns lehrt, wie wichtig das eigene Denken ist:

„Wir haben im 20. Jahrhundert ja einige Verkünder gehabt, nationalsozialistischer oder realsozialistischer Art, die uns das Paradies gezeigt haben – was dann in Massenmorden endete.“

Wohin es führt, wenn andere Menschen einem sagen, was man denken soll, hat laut Arnd Brummer das 20. Jahrhundert gezeigt: Es führte ins Unglück. Als Beispiele nennt er die Zeit des Nationalsozialismus und den sogenannten Realsozialismus. Der Begriff bezieht sich auf kommunistische Systeme wie die der damaligen DDR oder der Staaten des früheren Ostblocks. Die Machthaber versprachen der Bevölkerung ein besseres Leben, zeigten ihr im übertragenen Sinn das Paradies. Sie traten als Verkünder auf. In der Religionslehre steht der Begriff für diejenigen, die das Wort Gottes bekanntmachen, es verkünden. Das Motto der „7 Wochen ohne“-Kampagne 2015 lautet: „Du bist schön! 7 Wochen ohne Runtermachen“. Es geht darum, das Schöne an sich und an anderen zu entdecken – und sich und andere nicht „runterzumachen“, also übermäßig zu kritisieren. Christiane Birgden meint, dass das Ziel auch dieser Fastenaktion sein sollte:

„Es ist eine Möglichkeit, mehr der Mensch zu werden, als den Gott mich angelegt hat, und dadurch auch glücklicher zu werden.“

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