Sie ist bekannt als „Klingenstadt“: Solingen. Die Solinger Messer stehen für deutsche Qualität. Manches Unternehmen in der Stadt hält die alten Produktionstraditionen noch aufrecht.

Auf dem Gelände des Unternehmens Robert Herder im Solinger Stadtteil Ohligs spürt man auf Schritt und Tritt die Tradition und die Geschichte eines Handwerks, das Solingen weltweit als „Klingenstadt“ bekannt gemacht hat. Das Fabrikgebäude ist mehr als 100 Jahre alt. Die Maschinen, auf denen die Messer in traditioneller Handarbeit geschliffen und gefertigt werden, sind deutlich moderner. Zu ihnen gehört auch eines, das bestimmt in vielen Küchen vorhanden ist, sagt Geschäftsführer Frank Daniel Herder:

„Wir sind noch einer der Hauptverfechter hier in Solingen vom alten Zöppken, vom alten Küchenmesser, was die Oma natürlich auch so kannte, was immer sehr lange scharf blieb. Das stellen wir mit ‘ner runden Million Stück im Jahr her.“

Ein Unternehmen wie Herder unterstützt weiter die Produktion des traditionellen Küchenmessers, das schon in der Großelterngeneration hergestellt wurde. Es ist – wie Frank Daniel Herder formuliert – ein Hauptverfechter davon. Das Präfix „Haupt“ weist hier darauf hin, dass jemand bei etwas der Wichtigste oder einer der Wichtigsten ist. Im Solinger Dialekt hat dieses besondere Obst- und Gemüseschälmesser einen eigenen Namen: Zöppken. Seit 1969 findet in der Solinger Innenstadt sogar ein sogenannter „Zöppkesmarkt“ statt – ein Flohmarkt, auf dem neben weiteren stadttypischen Eisenwaren auch das Zöppken verkauft wurde und wird. Frank Daniel Herder führt das Unternehmen jetzt in vierter Generation. Gegründet wurde es 1872 an gleicher Stelle von seinem Urgroßvater. Die Messer werden weiter unter dem damals gewählten Markenzeichen herstellt: einer Windmühle. Auch das Material ist etwas Besonderes: Es handelt sich um Karbonstahl. Das hat seinen Grund, wie Frank Daniel Herder erklärt:

„Karbon deswegen, weil rostende Klingen, also Klingen, die anlaufen, die dunkel werden, die oxidieren beim Gebrauch durch Pflanzen, Obstsäure, bleiben einfach wesentlich länger scharf.“

Karbonstahl zeichnet sich dadurch aus, dass er hauptsächlich aus zwei Elementen besteht: aus Eisen und Kohlenstoff. Und er hat kein Element, das verhindert, was Frank Daniel Herder als „anlaufen“ beziehungsweise „oxidieren“ bezeichnet. Beide Begriffe – der eine umgangssprachlich, der andere wissenschaftlich – stehen für dieselbe chemische Reaktion: Die Messerklingen rosten, wenn sie in Kontakt mit Frucht- oder Pflanzensäuren kommen. Solche Messer können besser gehärtet werden und bleiben länger scharf. Man mit ihnen gut schneiden. Als es noch keine Alternativen zum Karbonstahl gab, entwickelten die Solinger Schleifmeister eine ganz eigene Technik der Oberflächenbehandlung: das sogenannte „Blaupließten“. Auch heute noch lernen Lehrlinge, wie diese alte Technik funktioniert, erklärt Frank Daniel Herder:

„Was der Andreas dort vorne macht, ist das sogenannte Blaupließten auf Walrosslederscheiben – das Vorbeiführen einer Klinge an einer Lederscheibe aus 40, 50 Jahren altem Walrossleder. Und das haben die hier über zwei Jahre erlernt bis zum IHK-Prüfungsabschluss.“

Werden Messer oder Scheren „gepließt“, erhalten sie einen besonders feinen Schliff. Dafür werden sie an einer Hartholzscheibe vorbeigeführt, die mit Leder überzogen ist. Die Firma Herder verwendet dafür die gegerbte Haut von Walrossen, einer Robbenart. Das Blaupließten erfordert vom Messerschleifer besondere Fähigkeiten: Die Klingen müssen so fein und makellos geschliffen sein, dass reflektiertes Licht bläulich erscheint. Lehrlinge wie Andreas erlernen diese Technik bis zur Prüfung vor der örtlichen Industrie- und Handelskammer, kurz IHK. In ihr sind alle Unternehmen einer Region organisiert – nur Landwirtschaftsbetriebe, reine Handwerksunternehmen und Freiberufler nicht. Allerdings bildet Herder erst seit Ende der 1990er Jahre wieder aus. Fast zwanzig Jahre fanden sich keine Ausbildungswilligen. Karl Heinz Zickel ist froh darüber, dass die alten Jobs aber wieder angenommen werden, sich wieder Auszubildende gefunden haben. Denn der über 70-Jährige kann seine jahrzehntelange Erfahrung weitergeben:

„Ich mach’ so zwei Tage die Woche noch hier so. ‘n bisschen für die Lehrlinge da sein. Wir sind ja am Ausbilden hier, und ich hab’ schon drei Leute, die sind aufm guten Weg, die Sache weiterzumachen. Die alten Jobs werden wieder angenommen. Die jungen Leute, die werden übernommen alle, wenn sie die Lehre zu Ende haben. Macht mir Spaß.“

Karl Heinz Zickel will sich langsam aus dem Betrieb Herder zurückziehen, deshalb arbeitet er nur zwei Tage oder wie er umgangssprachlich sagt: „Ich mache zwei Tage die Woche“. Wenn die Auszubildenden ihre Prüfung erfolgreich abgeschlossen haben, werden sie direkt von der Firma angestellt. Sie werden übernommen. Geschäftsführer Frank Daniel Herder arbeitet eng mit dem Jobcenter der Stadt zusammen. Bei der Auswahl von Mitarbeitern zählt für ihn nicht das Alter einer Person:

„Ich frage ab: Was bietet der Arbeitsmarkt? Und was für einen Erfahrungsschatz suche ich eigentlich? Will einer die Arbeit machen? Ist einer befähigt dazu, dann kriegt er auch den Job. Da fallen eben auch eine ganze Reihe von über 50 an. Und weil wir das so machen, ist eigentlich erst zum Beispiel das Jobcenter da drauf aufmerksam geworden: ‚Hallo, da gibt es ja die Firma Herder, die machen das so ja schon seit Jahren.‘“

Zu den Kriterien, die für Frank Daniel Herder bei der Mitarbeiterauswahl wichtig sind, gehören: Wissen und Fähigkeiten, die jemand sich im Lauf der Jahre angeeignet hat – der Erfahrungsschatz – sowie der feste Wille, arbeiten zu wollen. Treffen diese Kriterien auf Personen zu, die schon älter und längere Zeit arbeitslos sind, entscheidet er sich auch für sie. Es fallen, wie er sagt, eine ganze Reihe von über 50 an. Das Interesse an einer Ausbildung oder einer Beschäftigung bei Traditionsunternehmen wie Herder lässt hoffen, dass Solingen auch in Zukunft die „Klingenstadt“ Deutschlands bleibt.

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