Sie helfen Schwerhörigen, sich im Alltag zurechtzufinden: Hörgeräte. Manche dieser kleinen Geräte, die im Ohr oder dahinter angebracht sind, werden von der Firma Kind produziert und verkauft – nicht nur in Deutschland.

Seit 1952 ist die Firma in Familienhand: Damals eröffnete Werner Kind sein erstes Hörgeräte-Fachgeschäft in Hannover. Als sein Sohn Martin 1970 die Leitung der Firma übernahm, begannen die Geschäfte zu wachsen. Mittlerweile gibt es in Deutschland über 300 unternehmenseigene Filialen, und auch im Ausland ist die Firma Kind längst vertreten: Es gibt Fachgeschäfte in der Schweiz, in Österreich, Ungarn, Tschechien, Spanien, Luxemburg und Frankreich. Selbst vor schwierigen Märkten in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion schreckte Martin Kind nicht zurück.

„Die Entscheidung ist sicher ausm Bauch getroffen: Ich hab’ einen Georgier kennengelernt, der mich so fasziniert hat, der so viel unternehmerischen Geist hatte und den Willen, Leistung zu erbringen, dass ich einfach gesagt hab’: ‚Komm her, wir machen das gemeinsam!‘ Ich war auch überzeugt, dass er diesen Job erfolgreich ausüben wird. Und er hat das Unternehmen sehr erfolgreich in Georgien aufgebaut. Er ist auch verantwortlich für die Gründung der Gesellschaft in Aserbaidschan und Armenien und auch in Russland. Also er hat einfach seine Chance genutzt und hat dieses Unternehmen auch wirklich wirtschaftlich erfolgreich in den Märkten entwickelt.“

Martin Kind hat nicht lange überlegt, den Georgier einzustellen. Er hat nicht mit dem Verstand entschieden, sondern hat seinem Gefühl vertraut und seine Entscheidung redensartlich aus dem Bauch oder aus dem Bauch heraus getroffen. Sein Bauchgefühl sagte ihm nämlich, dass der Mann Talent hatte, ein Geschäft oder ein Unternehmen aufzubauen, dass er also einen unternehmerischen Geist hatte. Und er hatte recht: Als der Georgier die Gelegenheit bekam, Kinds Unternehmen in Georgien und den Nachbarländern aufzubauen, tat er das sehr erfolgreich: Er hat seine Chance genutzt. Martin Kind weiß, dass der Markt in den ehemaligen Sowjetrepubliken nicht einfach ist, aber er ist ein Macher. Über Schwierigkeiten und Probleme wird kurz geredet, dann wird gehandelt:

„Natürlich ist so ‘n Markt wie Georgien außergewöhnlich schwierig. Es gibt keine Sozialsysteme, die offizielle Wirtschaft ist schwierig, die Schattenwirtschaft blüht. Wir haben hier aber eben eine Nische gefunden. Schwerhörige gibt es in allen Ländern, und sie benötigen Hörgeräte, und wir konnten diese Nische dann erfolgreich belegen. Aber was anders ist als zum Beispiel hier in Deutschland, ist eben: kein regulierter Markt. Das ist ein absolut freier Markt, und wer ein Hörgerät braucht, muss es privat kaufen und auch privat bezahlen.“

Nicht in jedem Land gibt es Sozialsysteme, also Unterstützung vom Staat, wenn man zum Beispiel keine Arbeit oder keine Wohnung hat. Oft funktioniert auch die offizielle Wirtschaft nicht, stattdessen machen die Leute Geschäfte, ohne Steuern und Abgaben an den Staat zu zahlen. Wenn diese Schattenwirtschaft gut läuft, sagt man auch, dass sie blüht. Um als Geschäftsmann erfolgreich zu sein, muss man etwas anbieten, was es noch nicht oder nicht oft gibt – man muss eine Nische finden und sie dann ausbauen und kontrollieren, sie also belegen. Gar nicht so einfach, wenn der Markt nicht organisiert ist und keine Regeln kennt, also kein regulierter Markt ist. Bevor ein Hörgerät aber überhaupt auf den Markt kommt, muss es vorher überprüft werden, erklärt ein Mitarbeiter des Unternehmens:

„Eins, eins, eins, einser, einser, eins ...Wir überprüfen jetzt einfach die Frequenzen, Lautstärke, Rauschen, Verzerrung, die auftreten können – und eben auch die Lautstärke bei ‘nem Eingangspegel von 60 dB.“

Wenn die Frequenzen, also die hohen und tiefen Töne eines Hörgeräts, getestet werden, können – wie beim Radio oder beim Telefon – auch unsaubere akustische Signale kommen. Manchmal hört man nur ein eintöniges Rauschen, das ein bisschen wie Meereswellen klingt, dann wieder ist der Ton verzerrt. Und bei dieser Verzerrung klingt der Ton unsauber und unnatürlich. Der Eingangspegel zeigt die Lautstärke des im Hörgerät eingebauten Mikrofons an. Gemessen wird er in Dezibel, kurz: dB, einem Maß für den Schalldruck.

In Martin Kinds Unternehmen in Großwedel bei Hannover wird geforscht und entwickelt, denn Hörgeräte sind High-Tech-Produkte. Längst hat die Firma die veraltete analoge Technik, diezum Beispiel bei der Produktion einer Schallplatte verwendet wurde und mit der immer wieder Störgeräusche verbunden waren, hinter sich gelassen. Stattdessen setzt man auf Digitaltechnik, also moderne Aufnahmetechnik wie auf einem Computer. Martin Kind nennt die Vorteile:

„Mit der Digitaltechnik haben Sie heute die Möglichkeit, dass der Nutzschall verstärkt wird, wie es nach der Hörverlustkurve notwendig ist, aber der Störschall deutlich abgesenkt wird. Das heißt, dass er ein deutlich besseres Sprachverstehen, zum Beispiel im Lärm hat, das, was früher nicht möglich war. Diese Option haben sie erst durch den Einsatz der Digitaltechnik.“

Wenn die Hörverlustkurve, also die Messung, wie schlecht jemand hört, durchgeführt wurde, kann die Digitaltechnik beim Hörgerät bessere Ergebnisse erzielen. Musik oder Stimmen, der sogenannte Nutzschall, werden stärker übertragen, störende Geräusche wie Baustellen- oder Verkehrslärm, von Experten als Störschall bezeichnet, werden leiser gestellt. Diese Möglichkeit oder diese Option gab es zu Zeiten analoger Technik nicht. Für Hörgeräte Kind arbeiten rund 1.500 Mitarbeiter, davon etwa 150 im Ausland. Allein in Deutschland hat das Unternehmen über eine halbe Million Kunden. Um diese zu betreuen, werden Hörgeräte-Akustiker gebraucht und bei Kind ausgebildet. In diesem Berufsfeld ist das Familienunternehmen der größte Ausbilder in Deutschland, sagt Martin Kind nicht ohne Stolz:

„Wir bilden über drei Jahre etwa 300 Auszubildende aus, das heißt pro Jahr etwa 100 Auszubildende, die wir auch bisher alle nach Beendigung ihrer Ausbildung beschäftigen konnten. Bedingt durch die Expansion konnten wir dann jeweils entsprechende Arbeitsplätze anbieten.“

Über die Jahre ist das Unternehmen Kind immer weiter gewachsen, und diese Expansion wird den Bundeswirtschaftsminister in Berlin zufriedenstellen. Martin Kind allerdings wünscht sich Veränderungen in der Wirtschaftspolitik: mehr Freiheit für Unternehmer zum Beispiel. Die Veränderungen bei den Sozialsystemen und auf dem Arbeitsmarkt sind für ihn nur ein Anfang:

„Ich glaube schon, dass der Gesundheitsmarkt – insbesondere aber insgesamt die deutsche Wirtschaft – zu stark reguliert ist. Das nimmtInnovation, das mindert die Bereitschaft zur Leistung und Annahme von Verantwortung. Es entsteht das Denken des Verwaltens. Und das ist für Unternehmen eher ein tödlicher Prozess.“

Martin Kind ist mit der deutschen Wirtschaftspolitik nicht zufrieden. Der Markt wird viel zu sehr geregelt und kontrolliert, findet er, eben einfach zu stark reguliert. Wer als Unternehmer neue Ideen oder neue Techniken ausprobieren, also Innovation betreiben will, muss erst mal viele Anträge stellen. Kein Wunder, dass ein Unternehmen dann gar nicht erst versucht, etwas Neues anzufangen. Stattdessen stellt sich ein richtiges Denken des Verwaltens ein: Man kümmert sich nur noch um das, was man schon erreicht hat. Doch auf Dauer ist das sehr schlecht, denn ohne Innovation geht ein Unternehmen kaputt: Es ist ein tödlicher Prozess. Doch Martin Kind ist ein kluger Kopf. Er ist schon auf der Suche nach neuen Expansionsmöglichkeiten.

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