Die deutsche Informatikbranche klagt über mangelnden Nachwuchs und fehlende wirtschaftspolitische Unterstützung. Das "Informatikjahr" soll Interesse an dem Sektor wecken. 

"Wir stellen fest, dass die Studienanfängerzahlen im Bereich der Informatik wieder zurückgehen, das macht uns besorgt", sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM). Doch 2006 biete Chancen, daran etwas zu ändern - denn nach dem "Einsteinjahr" wurde diesmal das "Informatikjahr" ausgerufen. Anliegen der vom Forschungsministerium ins Leben gerufenen Wissenschaftsjahre ist es, Interesse an der Forschung zu wecken.

Im Informatikjahr werden viele Veranstaltungen, Wettbewerbe und Ausstellungen zum Thema stattfinden. Träger ist vor allem die Gesellschaft "Wissenschaft im Dialog", die schon der Motor für die vergangenen sechs Wissenschaftsjahre war. "In einem solchen Jahr können sie Bewusstsein schaffen, sie können Interesse wecken an einer Branche, die offenbar Probleme hat, sich selbst zu erklären", sagt Rohleder.

Darüber hinaus wolle man die Innovationschancen deutlich machen, erklärt Matthias Jarke, Präsident der Gesellschaft für Informatik und Professor an der TU Aachen. Es solle um die Frage gehen, in welchem Bereich Deutschland eine Chance habe, "einen Sprung nach vorne zu machen". Im internationalen Vergleich steht Deutschland hinter den USA und Kanada allerdings gar nicht so schlecht da, sagt Jarke. Traditionelle Stärken der deutschen Informatik lägen etwa im elektrotechnischen Bereich, in der künstlichen Intelligenz und in der theoretischen Informatik - und in der letzten Zeit in der Verknüpfung der Informatik mit Ingenieurswissenschaften, etwaim Maschinen- oder Automobilbau.

Aber, so gibt August Wilhelm Scheer, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik in Saarbrücken, zu bedenken, die Boombranche habe ein strukturelles Problem. Trotz hoher Qualität könne die Branche nicht richtig durchstarten.

Ein Projekt, das eine Nagelprobe deutschen Könnens werde, sei die Einführung der Gesundheitskarte. Das weltweit umfangreichste Informatik-Projekt findet passenderweise im Informatikjahr statt. "Man muss sich die Dimensionen klar machen: Es bekommen 80 Millionen Versicherte solche Gesundheitskarten", erklärt der Informatik-Professor Jarke. "Und diese 80 Millionen Karten interagieren dann mit zwei Millionen anderen Systemen in Arztpraxen, Krankenhäusern und Versicherungen." Ein vernünftiges Zusammenspiel dieser Elemente zu gewährleisten, sei eine große Herausforderung, deren Bewältigung sich positiv auf den ganzen Standort auswirke.