Südafrikas Last mit der Vergangenheit

Südafrika hat bei der Vergangenheitsbewältigung einen einmaligen Weg beschritten. Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission vereinte die Aspekte einer Gruppentherapie, einer Messe und einer Gerichtsverhandlung.

Durch Wahrheit versöhnen - so lautete das Prinzip der südafrikanischen Wahrheitskommission: "Wenn wir die Wahrheit kennen, können wir anfangen, die Vergangenheit hinter uns zu lassen, und mit Hoffnung in eine friedliche Zukunft zu gehen", hieß es in den Grundsatzpapieren. Die Kommission versuchte die Gräueltaten des Apartheid-Regimes aufzuarbeiten und die politisch motivierten Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen.

Doch der Erfolg der Wahrheitskommission wird zumindest in Südafrika immer stärker bezweifelt. So ist es der 40-jährigen Carol Basona ziemlich egal, ob die Täter von einst nun um Vergebung bitten oder nicht. Basona hatte während der Apartheid in ihrem Township Philippi bei Kapstadt Aktionen des zivilen Ungehorsams mitorganisiert. Bei einem Polizeieinsatz wurde sie in den 1980er Jahren durch eine Schusswunde schwer verletzt. Ihre Kinder mussten die Schule verlassen, um Geld zu verdienen.

Solange die durch die Apartheid verursachte Armut der Schwarzen nicht wirksam bekämpft werde, könne man auch nicht von Versöhnung reden, meint Carol Basona. Eine finanzielle Entschädigung hat sie nie bekommen. Als die Wahrheitskommission ihre Arbeit beendet hatte, entschied die Regierung, dass nur die 20.000 Apartheidopfer, die vor der Kommission ausgesagt hatten, eine einmalige Entschädigungszahlung von ungefähr 3000 Euro bekommen sollten. Für viele war das ein Schlag ins Gesicht. Besonders wenn sie sahen, wie die Mörder von damals - von der Kommission begnadigt - ein ruhiges, komfortables Rentnerdasein an der touristischen Westküste des Landes führten.

Obwohl die Täter, die vor der Wahrheitskommission aussagten, zum allergrößten Teil begnadigt wurden, kamen sie nicht ungeschoren davon, meint Paul Haupt. Der südafrikanische Psychologe hat vier Jahre lang über die Motive der weißen Täter geforscht. "Die eigentlichen Täter sind heute alle gebrochene Menschen, von ihrer Nachbarschaft geächtet, oft geschieden", sagt Paul Haupt. "In der Wahrheitskommission musste der Täter in das Gesicht der Mutter der von ihm ermordeten Person schauen. Und plötzlich erschien der Ermordete nicht mehr als Staatsfeind, sondern als ein Südafrikaner, der eine Mutter, einen Bruder, eine Schwester hatte. Der Täter sah die Menschlichkeit seines Opfers, das er gefoltert, verstümmelt und ermordet hatte."