Wie wichtig ist das Nachtleben für die Wirtschaftskraft einer Stadt? Wie können verschiedene Interessen miteinander vereinbart werden? Im Forschungsprojekt „stadtnachacht“ gehen Wissenschaftler diesen Fragen nach.

Es gehört zu jeder größeren Stadt dazu: das Nachtleben – Besuche in Restaurants, Gaststätten, Bars, Casinos, Vergnügungslokalen oder Diskotheken. Je vielfältiger das Nachtleben einer Stadt ist, umso attraktiver ist diese. Allerdings ist vielen Stadtverwaltungen und auch Stadtplanern in Deutschland noch nicht richtig bewusst, wie wichtig die Nachtökonomie ist, also das Nachtleben als Wirtschaftsfaktor. Die Bundesregierung förderte daher von 2014 bis 2015 ein entsprechendes Pilotprojekt, bei dem zwölf deutsche Großstädte im Fokus der Untersuchung standen. Dazu gehören unter anderem Berlin, Hamburg, München, Köln und Mannheim. Jakob F. Schmid, einer der beiden Leiter des Projektes „stadtnachacht“ sagt, welches Ziel verfolgt wird:

„Also, die Stadtplanung oder auch die Kommunen selbst wissen relativ wenig über das Nachtleben und die Nachtökonomie, wie die Nutzungsstrukturen aussehen et cetera. Also, wenn ich jetzt mal ‘n Vergleich mache zum Einzelhandel, wo man sehr viele Zahlen hat. Und da wollen wir ‘n ersten Aufschlag machen mit unserem Projekt.“

Zum Nachtleben als Wirtschaftsfaktor liegen laut Jakob F. Schmid kaum Zahlen vor, anders als etwa bei Einzelhandelsgeschäften. Hier weiß man mehr über Umsatz oder Beschäftigungszahlen beziehungsweise die Zielgruppen. Weitgehend unbekannt aber ist, welche Wirtschaftszweige, die zum Nachtleben zählen, wie genutzt werden und welchen Einfluss sie etwa auf andere Bereiche wie das Marketing, den öffentlichen Personennahverkehr und die Entwicklung einer Stadt insgesamt haben. Die Kommunen und die Stadtplaner kennen die Nutzungsstrukturen nicht. Die Forscher wollten damit beginnen, herauszufinden, wie diese Strukturen aussehen. Sie wollten – wie Jakob F. Schmid unter Verwendung eines Ausdrucks aus dem Tennis sagt – den ersten Aufschlag machen. Bei Vorrecherchen fanden die Forscher schon einiges heraus, so Jakob F. Schmid:

„Im Zusammenhang mit Berlin gibt es einige Zahlen, wo natürlich das Nachtleben ‘n großer Anziehungspunkt ist, also gerade Stichwort ‚Tourismus‘. Und das sich natürlich dann auch in gewissen Zahlen niederschlägt. Stichwort ‚Arbeitsmarkt‘ et cetera. Hier in Hamburg haben wir natürlich die Situation in St. Pauli, natürlich auch ‘n tradiertes Vergnügungsviertel, was auch relativ wichtig ist für den Tourismus. Also, als Imagefaktor war es seit jeher wichtig, man denke hier an Reiseführer. Aber zunehmend wird man auch sensibilisiert für die ökonomische Bedeutung des Nachtlebens.“

In Großstädten wie Berlin oder Hamburg stellt das Nachtleben einen Anziehungspunkt dar. Ohne Nachtleben wären diese Städte beispielsweise für Touristen weniger interessant. Das wiederum wirkt sich auf den Arbeitsmarkt aus, denn je mehr Touristen kommen, umso mehr Arbeitskräfte werden in Gaststätten, Diskotheken und so weiter benötigt. Der Umsatz steigt, es schlägt sich in Zahlen nieder. Manche Viertel wie St. Pauli in Hamburg leben schon sehr lange von ihrem Nachtleben. Sie sind, wie es Jakob F. Schmid formuliert, schon lange bestehende, tradierte, Vergnügungsviertel. Und sie sind ein Imagefaktor für die Stadt, prägen das gute Bild, das man sich von der Stadt macht. Dass das Nachtleben auch für die Wirtschaftskraft jeder Stadt sehr wichtig ist, wird den Verantwortlichen so langsam bewusst. Sie entwickeln ein Gespür dafür, werden dafür sensibilisiert. In europäischen Städten wie London, Paris oder Amsterdam ist man da schon weiter, wie Jakob F. Schmid sagt:

„In Großbritannien prinzipiell gibt es ‘n langen Diskurs schon bereits seit Ende der 80er, Anfang der 90er, wo dann praktisch nach Geschäftsschluss oder nach Arbeitsschluss die Innenstädte tot waren. Dann hat man das so als Tool verstanden, um auch attraktive Stadträume wiederherzustellen. Und dazu gehört das Nachtleben. Vor einigen Jahren gab’s ‘n großen Aufschrei in Paris von einigen Akteuren, die gesagt haben: ‚Leute, wir müssen aufpassen. Paris verödet nachts. Es ist zu teuer, es ist auf ‘n spezifischen Tourismus ausgelegt. Da gibt es ‘ne hohe Sensibilität auch in Amsterdam. In Amsterdam gibt’s beispielsweise einen Nachtbürgermeister, der so ‘ne Vermittlerfunktion zwischen Stadtverwaltung, Polizei und den Akteuren der Nachtökonomie des Nachtlebens einnehmen soll.“

In Großbritannien wurde über das Thema „Nachtleben und Nachtökonomie“ bereits Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre sehr lange öffentlich diskutiert. Es gab einen langen Diskurs. Denn wenn die Geschäfte geschlossen waren, die Leute nach der Arbeit nach Hause fuhren, boten die Innenstädte wenige Möglichkeiten, auszugehen und sich zu vergnügen. Sie waren tot, es war nichts los. Ein attraktives Nachtleben wurde als Tool, als eine Art Programm, gesehen, um die Innenstädte zu beleben. Ähnlich war es in Paris. Die Stadt war, wie Jakob F. Schmid sagt, auf einen spezifischen Tourismus ausgerichtet, also auf Touristen, die hauptsächlich an historischen Sehenswürdigkeiten und Museen interessiert waren. Nachdem eine Studie 2009 ergab, dass in Paris nachts kaum etwas los war, die Stadt verödete, gab es laute Proteste. Es gab einen Aufschrei. Grund war hauptsächlich die nächtliche Ruheordnung. Bars und Nachtclubs mussten ab einer bestimmten Zeit schließen, auch gab es keine passenden Nahverkehrsangebote. Ähnlich erging es Amsterdam: Aus einer der liberalsten Städte Europas war um die Jahrtausendwende eine Stadt mit stark regulierten Öffnungszeiten und Einschränkungen für Besitzer von Nachtclubs geworden. So kam die Idee des sogenannten Nachtbürgermeisters auf. Er sorgt dafür, dass das Nachtleben floriert, junge Leute in die Stadt gelockt werden. Gleichzeitig vermittelt er bei auftretenden Problemen zwischen den Akteuren: Clubbesitzern, Veranstaltern, Besuchern, der Politik und Verwaltung sowie den Bürgern, die sich gestört fühlen. Seit 2013 gibt es auch in Paris einen Nachtbürgermeister. Jakob F. Schmid denkt, dass so eine Person auch deutschen Städten guttun würde:

„Die Thematik mit diesem Nachtbürgermeister ist für uns sehr ‘n sehr interessantes Beispiel, weil wir die vergangenen Jahre nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen deutschen Großstädten ‘ne Diskussion über das Nachtleben hatten, oft unter dem Stichwort ‚Clubsterben‘ et cetera.“

Ein Nachtbürgermeister könnte nach Ansicht von Jakob F. Schmid auch in deutschen Städten vermittelnd helfen. Denn wegen unterschiedlicher Interessen müssen auch hier beispielsweise Clubs endgültig schließen. Es findet ein Clubsterben statt. Immerhin war der Amsterdamer Nachtbürgermeister bereits zu einer Informationsveranstaltung in Köln, um über seine Arbeit zu berichten. Auch in der Metropole Berlin wird über die Einrichtung dieses Amtes nachgedacht. Bleibt zu hoffen, dass auch andere deutsche Städte den Beispielen von Amsterdam und Paris folgen.

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