Mit der Eisenbahn aufs Dach der Welt

Nach Tibet konnte man bislang nur mit dem Flugzeug oder per Bus reisen. Jetzt wird eine Eisenbahnlinie in Betrieb genommen, die von Peking bis nach Lhasa führt - es ist die höchste der Welt.

Lhasa ist die Hauptstadt von Tibet, das in China zwar offiziell als "autonome Region" gilt, aber fest in chinesischer Handist. Ein Traum der chinesischen Führung seit mehreren Generationen gehe mit der Zugverbindung in Erfüllung, jubeln Chinas Staatsmedien.

Die Strecke zwischen Peking und Tibet ist fast 4.100 Kilometer lang, die Fahrzeit beträgt satte 48 Stunden. Die Strecke bricht zwei Weltrekorde: Sie ist nun die höchste Eisenbahnstrecke der Welt. Und sie fährt auch den höchstgelegenen Bahnhof der Welt an. Denn der Bahnhof Tanggula befindet sich auf der Höhe von 5.068 Metern über dem Meeresspiegel.

Doch das ehrgeizige und mit viel chinesischem Nationalstolz befrachtete Projekt ist kontrovers. Selbst Wissenschaftler, die an dem Projekt mitgewirkt haben, sehen den Start mit einem lachenden und einem weinenden Auge. So auch Li Bosheng, Professor an der Chinesischen Akademie für Wissenschaften in Peking. Auf dem Tibet-Plateau wachsen seltene Pflanzen. Sie sind zugleich die wichtigste Nahrung für ebenfalls seltene Tiere. Würden die Pflanzen durch ein groß angelegtes Bauprojekte zerstört, dann könnten bald auch die Tiere aussterben, befürchtet Li.

Für die Passagiere im Zug ist ein anderes Naturprodukt entscheidend: Sauerstoff. Da im tibetischen Hochland der Sauerstoffgehalt nur halb so hoch ist wie im Flachland, wird zusätzlicher Sauerstoff in den Zug gepustet. Ähnlich wie im Flugzeug hat jeder Passagier eine Atemmaske - für den Notfall. Auch Ärzte fahren mit, um Menschen zu versorgen, die plötzlich anfangen, an der Höhenkrankheit zu leiden.

Chinas Regierung begründet das Projekt aber weniger mit der Attraktion, die es aus Sicht von Eisenbahn-Fans oder Touristen haben mag, als vielmehr mit dem wirtschaftlichen Nutzen: Die Kapazität für den Güterverkehr nach Tibet wird durch die Strecke deutlich gesteigert.

Exil-Tibeter hegen jedoch die Befürchtung, dass nun noch mehr Chinesen in ihr Gebiet kommen und die Tibeter zu einer Minderheit im eigenen Land machen. Die Tibeter kämpfen schon seit Jahrzehnten um den Erhalt ihrer kulturellen Identität, die nach ihrem Verständnis bereits durch die massenhafte Ansiedlung von Chinesen stark bedroht ist.