Die gestohlene Kindheit in Bildern verarbeiten

Der Krieg hat die Menschen in Tschetschenien gezeichnet. Mit der Veröffentlichung von Zeichnungen und Geschichten tschetschenischer Kinder wird ihren Kriegserlebnissen jetzt eine Stimme gegeben.

Ein kleiner Junge beweint seine Mutter. Sie liegt auf der Straße und blutet. Eine Bombe hat sie getötet. Russische Militärflugzeuge haben einen ganzen Schwall davon abgeworfen. Für dieses Bild hat Larisa, eine Schülerin aus der tschetschenischen Hauptstadt Grosny, die beste Schulnote erhalten. Neben ihrem sind mehrere Dutzend anderer Bilder in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, dem ehemaligen Stasi-Gefängnis, ausgestellt. Die Idee, sie nach Deutschland zu bringen, hatte die Schweizer Friedensarbeiterin Elisabeth Petersen: "Die Bilder habe ich 2001 angefangen zu sammeln und zwar in Grosny selbst und vor allem in den Zelten, in den Unterkünften des Flüchtlingslagers in Inguschetien." Dort habe sie die Zeichnungen an den Zeltwänden, in den Schulen hängen gesehen und die Kinder gefragt, ob sie sie haben könne. Die Kinder hätten sie ihr sehr gerne gegeben.

In Tschetschenien lebt heute eine ganze Generation von Menschen, die keine Kindheit kennen. Viele von ihnen sind in den zerstörten Häusern aufgewachsen, ohne Strom und Wasser, ohne fröhliche Geburtstagsfeiern, ohne Urlaubsreisen. Diese Erlebnisse sind auf den Zeichnungen der Kinder zu erkennen. Die erste Motivgruppe zeige die Verwüstung der Natur und die brutale Zerstörung von Grosny, beschreibt Elisabeth Petersen. "Die andere Motivgruppe zeigt die Zerstörung der Menschen, der Tod der Menschen, die durch Bomben, durch Granaten und Hubschrauber getötet und durch Minen zerfetzt wurden." Die dritte Gruppe von Zeichnungen zeige die Sehnsüchte der Kinder nach Ruhe und Frieden.

Mediziner gehen davon aus, dass 90 Prozent der tschetschenischen Kinder und Jugendlichen, die während des Krieges aufgewachsen sind, stark traumatisiert sind. Die wahren Maßstäbe der psychischen Folgen sind aber noch nicht einmal annähernd erkennbar. Denn die Erinnerungen an den Schrecken bleiben, auch wenn der Krieg schon im Jahr 2000 von der russischen Regierung für beendet erklärt wurde.