Ein ganzes Leben ohne Schmerzen - was sich wie aus einem Science-Fiction Roman anhört, gibt es wirklich. Forscher untersuchen Menschen, die keinen Schmerz empfinden. Das Ziel ist eine neue Generation von Medikamenten.

Während seiner Zeit als Arzt in einem pakistanischen Krankenhaus wurde Geoff Woods mit einem ganz außergewöhnlichen Fall konfrontiert: "Mir wurde von einem Jungen erzählt, der sich regelmäßig verletzte, aber offensichtlich keinen Schmerz fühlte." Als Woods zum dritten Mal von dem Jungen berichtet wurde, war dieser gerade gestorben: "Er sprang an seinem Geburtstag vom Dach eines Hauses und erlag seinen Verletzungen." Der Sprung vom Dach hatte wohl nur der Unterhaltung seiner Freunde dienen sollen. Ein normaler Mensch wüsste, dass er sich Schmerzen zufügen würde. Doch was geschieht, wenn ein Mensch gar keinen Schmerz kennt? Der Genetiker erkannte sofort die Bedeutung des Jungen für die Forschung. Denn das Empfinden von Schmerz ist enorm wichtig, um drohende Gefahren zu erkennen.

Umfangreiche Tests mit betroffenen Personen zeigten, dass ihre Intelligenz, Entwicklung, Nervenstränge und sogar ihre Empfindungen vollkommen normal waren - eben bis auf das Schmerzempfinden. Bei genetischen Untersuchungen stellte sich heraus, "dass diese Menschen einen einzigartigen genetischen Defekt haben: einen Fehler in einem Gen mit der Bezeichnung SCN9A", erläutert Woods. Wenn man dieses Gen beim Menschen ausschalte, dann fühle man keinen Schmerz mehr. Obwohl alle Nerven immer noch intakt seien.

Auch der Neurobiologe Doktor John Wood vom University College London hat sich jahrelang mit dem Thema beschäftigt. Er untersuchte den gleichen genetischen Fehler bei Mäusen. Dabei ähneln sich viele der molekularen Mechanismen, die der Schmerzempfindung zu Grunde liegen, bei Tier und Mensch. Wood arbeitet nun daran, das betreffende Gen in Mäusen auszuschalten und auf dieser Basis ein Medikament zu entwickeln, das den Schmerz blockiert. Wood schätzt allerdings, dass die Testphase einer neuen Generation von Schmerzmitteln erst in ein paar Jahren beginnen könne. Der klinische Gebrauch könnte dann frühestens 2015 starten. Spätestens dann stellen sich auch ethische Fragen: Was darf überhaupt am lebendigen Nervengewebe des Menschen verändert werden?