Teambildung in Unternehmen ist nicht einfach. Manche Firmen veranstalten eigene Workshops mit Trainern, manche gehen einen anderen Weg. Sie schicken die Mitarbeiter zum Beispiel in die freie Natur zum Überlebenstraining.

Kopfüber liegt ein Mann auf dem Boden in einem Wald in Sachsen-Anhalt. Sein Hosenbein ist zerschlissen, die Knie sind verdreht, am Kopf hat er eine riesige Platzwunde. Im Laufschritt eilen die Retter herbei, drehen den Verletzten vorsichtig auf den Rücken und analysieren die Situation:

„Aua, mein Bein, macht vorsichtig. Das tut weh! / Ja, so 'n Arzttäschchen dabei? Was macht man jetzt? / Stabile Seitenlage. / Erst mal abdecken. / Hat jemand Handyverbindung? / Nein! / Wir sollten ihn versuchen, erst mal ins Lager zu kriegen, und dafür brauchen wir 'ne Trage.“

Der Verletzte muss erst einmal in die stabile Seitenlage gebracht werden. Seine Beine werden gestreckt, ein Arm angewinkelt und auf die Brust gelegt. Dann wird ein Bein angewinkelt. Der Helfer greift das Bein und zieht den Verletzten zu sich, so dass er auf der Seite liegt. Der Kopf wird nach hinten geneigt, damit er gut atmen kann. Die Szenerie wirkt echt. Nach wenigen Augenblicken wird jedoch klar, dass alles doch nur gestellt ist. Doch den Helfern vergeht nach und nach das Lachen. Langsam tragen sie ihren Kollegen auf einer Trage, einem Gestell, auf dem man Kranke oder Verletzte transportiert, aus dem Gestrüpp Richtung Lager. Sie werden genau beobachtet von ihrem Survival-Trainer Christian, der mit Block und Stift ein paar Meter oberhalb am Hang sitzt:

„Was mir aufgefallen ist, dass überall Bäume 'rumhängen, die runterrutschen können, und geguckt hat niemand. Im Prinzip ist es schlimm, wenn ihm was passiert, aber die Gruppe an sich sollte natürlich auch schon geschützt sein, ne, sonst haben wir dann zwei Verletzte, ne. Also, ich mein', insgesamt machen sie es ganz gut, auch dass da die andere Gruppe losgegangen ist und schon freiräumt.“

So ganz zufrieden ist Christian nicht. Denn die Helfer haben nur den Verletzten gesehen, aber nicht darauf geachtet, dass sie selbst in Gefahr hätten kommen können. Umsichtig reagierten jedoch diejenigen, die schon Platz für den Verletzten im Camp schafften, die dort freiräumten. Eine halbe Stunde dauert die Aktion, und während sich der Gerettete noch das Theaterblut aus dem Gesicht wischt, sitzt die zehnköpfige Männergruppe am Lagerfeuer und bespricht das Geschehene. Die meisten haben graugrüne Shirts an, gefleckte Tarnhosen wie Soldaten und feste Schuhe. Bei einigen baumelt ein übergroßes Taschenmesser am Gürtel. Willkommen im „Survival Base Camp“! Anberaumt hat den Drei-Tage-Ausflug Peter. Er ist Leiter der Gruppe in einem deutschen Bausparkonzern:

„Grundidee ist eigentlich die, dass wir eher verwöhnt sind, uns eher in Fünf-Sterne-Hotels aufhalten als auf der grünen Wiese. Teambildung ist immer so 'n Schlagwort. Es gibt ja da tausend Möglichkeiten. Man kann sich in 'nen Seminarraum setzen, kann sich 'n extrem teuren Trainer holen, der dann mit einem Chakra macht drei Tage. Ich denk', dass so was mehr zusammenschweißt, weil da erlebt man Menschen einfach mal in Ausnahmesituationen, und das hilft.“

Peter wollte seine Mitarbeiter mal in eine nicht gewohnte Situation, in eine Ausnahmesituation, bringen. Und das geht am besten draußen, auf der grünen Wiese, und nicht in einem Seminarraum. Denn dort – so Peter – würde ein Trainer vielleicht ein bisschen spirituelles Geschwätz veranstalten, Chakra machen. Als Gruppe zusammengeschweißt wie einzelne Metallteile werde man jedoch nur, wenn man sich gegenseitig helfe. Also kein Grand-Hotel mit leckerem Essen und drei Kaffeepausen. Hier im Wald muss der Kaffee selbst am offenen Feuer gekocht werden. Das Nachtlager besteht nur aus einer Plastikplane, die über eine Schnur gehängt und mit Ästen im Boden verankert wird. Dazu gibt es noch eine Isoliermatte und einen Schlafsack für jeden. Die nächste Aufgabe ist, eine Schutzhütte im Wald zu bauen. Diese sollte natürlich auch eine Latrine, eine Toilette im Freien, haben. Doch einige Teilnehmer haben keine Lust auf die Arbeit:

„Einer hat 'ne Axt in der Hand und hackt, einer baut 'ne Latrine und zwei kümmern sich um Füllmaterial. Ansonsten ist die Arbeitsmoral relativ gedrückt im Moment. Ich glaub', wir sind alle 'n bisschen kaputt.“

Die Stimmung ist nicht gut – die Arbeitsmoral wegen der ungewohnten körperlichen Arbeit jetzt schon ziemlich niedrig. Sie ist gedrückt. Alle sind ein bisschen müde, kaputt. Die Latrine ist jedoch inzwischen fertig, das Abendessen rückt näher. Doch bevor es Rehgulasch mit Spätzle gibt, haben die Trainer noch eine besondere Vorspeise im Angebot: wahlweise Wanderheuschrecken aus Afrika oder aber einheimische Kost aus Sachsen-Anhalt – Regenwürmer. Nicht alle in der Lagerfeuer-Runde sind begeistert, weil die Tiere mit Schädlingen, Parasiten wie zum Beispiel Bandwürmern, infiziert sein können:

„Direkt essen sollte man diese Regenwürmer generell nicht, weil die Parasiten in sich tragen könnten, ne, die übertragen Bandwürmer. / Essen wir die nicht? / Doch, die essen wir, aber die braten wir. Die sind sehr proteinreich, ne, ist ja fast nur Fleisch. / Uah, der zappelt ja noch. / Pfui Teufel! / Schmeckt wie Kartoffelchips ohne Gewürze. Ich schau mir das an, aber bin eigentlich schon satt, wenn ich's sehe. Muss ich nicht haben.“

Einige trauten sich, die Krabbeltiere zu essen – selbst wenn es ekelerregend ist. „Pfui Teufel!“ ruft einer der Teilnehmer deswegen. Einige weigerten sich. Sie fanden, dass sie das nicht haben mussten. Nach dem unappetitlichen Insekten-Würmer-Experiment ist es endlich so weit: Es gibt den Rehgulasch. Die Sonne ist bereits untergegangen, nur das Lagerfeuer flackert vor sich hin. Um kurz nach 23 Uhr verschwinden auch die Letzten unter ihren Plastikplanen. Der nächste Tag beginnt um Punkt sieben. Nach dem Frühstück mit Kaffee und einem dicken Brei aus Obst, Wasser und Haferflocken geht's auf zur nächsten Aufgabe: einem Orientierungslauf quer durch den Wald, nur mit Karte und Kompass. Mit dem Kleinbus fährt die Gruppe in den Wald. René vom Trainerteam folgt im Jeep:

„Wir werden jetzt die Teilnehmer im Wald aussetzen. Die fahren jetzt gerade im abgedunkelten Bus, also, die sehen nicht, wo es langgeht, und müssen dann an dem Punkt, wo wir sie raussetzen, ihren Standort bestimmen und dann den Weg zum See finden. Als Regel: keine Wege benutzen! Die Übung ist Querfeldein-Orientierung. / Wo sind wir jetzt? / Müsst ihr selber finden … / Okay! / … und euch dann von hier aus orientieren. / Alles klar. / Okay. / Viel Erfolg!“

Ohne das für manchen gewohnte Navigationssystem des Autos müssen jetzt alle den Weg zum festgelegten Ort, einem See, selbst finden. Nur mit einer Karte und dem Kompass müssen sie sich querfeldein, mitten durch Wald und Wiesen, durchschlagen. Zwei Stunden später kommt die erste Gruppe am See an. Die Gruppen treffen nach und nach ein. Alle haben die Querfeldein-Aufgabe ohne Probleme bewältigt. Die Teamleiter haben bereits alles für die nächste Aufgabe vorbereitet: Baumstämme, eine Schnur und acht Gummireifen. Die Teilnehmer sollen in zwei Gruppen jeweils ein Floß bauen. Das Gefährt muss in zwei Stunden fahrbereit sein. Peter gibt den Chefplaner:

„Also, was wir machen müssen logischerweise: die Reifen drunter, dann 'nen stabilen Kasten außen rum, das mit den Reifen verbinden und dann Querstreben.“

Peter findet, dass es Sinn macht – logischerweise –, das Floß so zu bauen: zunächst die acht Gummireifen, dann einen Kasten aus Holzstämmen. Dieser sollte mit der Schnur an den Reifen befestigt werden. Zuletzt sollten Holzbalken, Streben, quer über den Kasten gelegt und ebenfalls befestigt werden. Auch das klappt am Ende. Bis auf ein paar nasse Füße kommen alle wieder heil im Camp an. Am Abend wird noch gegrillt und am nächsten Morgen packen alle zusammen. Peter ist zufrieden. Alle im Team hätten sich besser kennengelernt, auch mal in Ausnahmesituationen. Und für ihn als Chef gab es sogar ein paar neue, interessante Erkenntnisse:

„Von den Menschen, wo man gedacht hat, die stecken das alles locker weg, da war man eher enttäuscht. Von anderen, wo man gesagt hat: ‚Oh, das wird bestimmt eng und die reisen nach ‘m ersten Tag ab‘, die haben das voll durchgezogen und haben da auch viele Aufgaben übernommen, die für das Team waren. Vielleicht ganz gut, dass sich einige mal die Meinung gesagt haben, vielleicht auch so aufgestaute Dinge einfach mal rausgekommen sind. Denke, das ist jetzt ausgesprochen, und da wird auch künftig nix mehr anbrennen.“

Peter spricht süddeutschen Dialekt. Vor allem in Schwaben und der Pfalz ist es üblich, statt des eigentlichen Relativpronomens das Relativadverb „wo“ zu benutzen. So sind es nicht die Menschen, „von denen“ man etwas gedacht hat, sondern die Menschen, wo man gedacht hat. Teamchef Peter musste seine eigene Meinung über bestimmte Mitarbeiter ändern. Mancher, von dem er dachte, der gebe direkt auf, der habe bis zum Ende durchgehalten und habe die Sache voll durchgezogen. Wichtig fand er zudem, dass Vieles, was man sich im Büro nicht zu sagen traute, aufgestaute Dinge, jetzt herauskamen. Man habe sich ordentlich die Meinung gesagt, gesagt, was einen geärgert habe. Jetzt können alle beruhigt nach Hause fahren. Es wird nichts mehr anbrennen – es wird nichts Schlimmes mehr passieren.

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