Von einem Geistlichen getraut oder auch beerdigt werden, ohne Mitglied der Kirche zu sein? Möglich ist das: Indem man einen Geistlichen „mietet“. Die Kirche beobachtet diesen Trend mit gemischten Gefühlen.

Sprecher:
Wer in Deutschland eine kirchliche Trauung oder auch Beerdigung wünscht, muss Mitglied einer Kirche sein. Die beiden größten sind die evangelische und die katholische Kirche. In den letzten Jahren haben aber immer mehr Deutsche ihrer Kirche „den Rücken gekehrt“, wollten kein Mitglied mehr sein. 2012 traten rund 180.000 Katholiken aus und etwa 140.000 Protestanten. Mittlerweile gehören nur noch knapp 60 Prozent der Menschen in Deutschland einer der beiden großen christlichen Kirchen an. Diejenigen, die aber dennoch an Gott glauben oder sich zumindest eine professionelle religiöse Zeremonie wünschen, gehören zur Zielgruppe von Pastor Samuel Diekmann und seinem Team. Ende 2012 rief er zusammen mit anderen aktiven beziehungsweise ehemaligen Kolleginnen und Kollegen die Internetseite „rent-a-pastor“ ins Leben, auf Deutsch: „Miete einen Pastor“. Er sieht einen großen Vorteil des Angebots:

Samuel Diekmann:
„Also, es gibt freie Redner wie Sand am Meer, die man anfragen kann. Aber da ist es eben so, dass – ich sag mal – die Uschi aus‘m Nagelstudio kann sich auch freie Rednerin nennen. Und das ist immer sehr schwierig auch für Brautpaare herauszufinden, was ist das für ‘ne Person dahinter. Und da werben wir natürlich ‘n Stück weit auch mit unserem Berufsbild, mit unserer Seriosität und unserer Ausbildung und mit unserer Erfahrung. Und das kommt auch sehr gut an.“ 

Sprecher:
Das Angebot kommt sehr gut an, wird positiv aufgenommen. Diejenigen, die sich bei „rent-a-pastor“ engagieren, wirken auf Grund des geistlichen, religiösen Hintergrunds glaubwürdig, seriös. Bei Rednerinnen und Rednern auf dem freien Markt, die also auf eigene Rechnung arbeiten, ist das nicht immer der Fall. Wer sie anfragt, kennt ihre Qualifikation nicht, weiß nicht, welche Person dahinter steckt. Es kann auch – wie Samuel Diekmann beispielhaft sagt – eine einfache Frau sein, die in einem Laden Fingernägel gestaltet, leicht abwertend als „die Uschi aus dem Nagelstudio“ bezeichnet. Außerdem gibt es freie Rednerinnen und Redner wie Sand am Meer. Diese sehr gängige Redewendung kommt aus der Bibel und wird in der Alltagssprache als Synonym für eine sehr große, zahlenmäßig nicht erfassbare Menge verwendet. „Mietpastorinnen“ beziehungsweise „Mietpastoren“ gestalten zusammen mit den Beteiligten eine Feier. Ein Paar trauen dürfen sie aber nur, wenn es bereits standesamtlich verheiratet ist. Von der Kirche wird die Eheschließung durch die „Mietpastorinnen“ und „Mietpastoren“ nicht anerkannt. Denn bei einer kirchlichen Hochzeit muss mindestens einer der Partner Mitglied der Kirche sein. Volker Lehnert, Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland, sieht Vorteile, aber auch Nachteile in diesem neuen Markt:

Volker Lehnert:
„Das gute Moment ist: Immerhin kommt bei diesen Amtshandlungen noch der Glauben an Gott zur Sprache. Das ist natürlich kirchliches Interesse. Das negative Moment ist natürlich das Signal: ‚Ach, man kann diesen ganzen kirchlichen Betrieb oder pseudokirchlichen Betrieb auch haben, ohne Mitglied der Kirche zu sein‘. Und wenn das alle tun würden, wäre natürlich die Kirche in ihrem Gesamtbestand zu Ende.“

Sprecher:
Als positiv, als gutes Moment, bezeichnet Volker Lehnert die Tatsache, dass bei einer Trauung oder Beerdigung – einer Amtshandlung – Gott und der Glaube an ihn noch eine Rolle spielen. Manche dieser alternativen Zeremonien finden auch in einer Kirche oder Kapelle statt, mit den entsprechenden Ritualen wie Orgelspiel. Für Volker Lehnert besteht das Risiko, dass noch mehr Kirchenmitglieder austreten. Wenn alle nur noch das pseudokirchliche Angebot, also das Angebot, das nur kirchlich erscheint, nutzen würden, könnte die Kirche nicht mehr weiterexistieren. Sie wäre in ihrem Gesamtbestand zu Ende. „Rent-a-pastor“-Gründer Samuel Diekmann teilt diese Befürchtung nicht. Im Gegenteil glaubt er, dass durch das Angebot manch einer wieder zum Glauben finden könnte. Dafür bringt er ein Beispiel:

Samuel Diekmann:
„Wir sagen: ‚Wenn Sie ‘ne Autopanne haben und nicht im Automobilclub sind, dann können sie die Gelben Engel aber trotzdem anrufen. Die helfen ihnen dann auch gerne und kompetent, aber sie müssen halt für den Service dann eben bezahlen.‘ Aber oft ist es dann so, wenn sie so ‘ne Panne hatten, dass sie dann überlegen und sagen: ‚Mensch, das war super, das passiert mir nicht noch mal‘. Und dann denken Sie drüber nach über ‘ne Mitgliedschaft im Automobilclub. Und ‘n ganz ähnlichen Effekt erhoffen wir uns als Geistliche auch – das steht nicht im Vordergrund, aber das schwingt auch mit. Bei dem ein oder anderen können wir wirklich punkten, durch eine gute Leistung, durch Freundlichkeit, durch Humor, was wir da reinbringen. Der persönliche Bezug: Wir haben viele Vorgespräche mit den Leuten, wir lernen die kennen. Und der ein oder andere denkt auch darüber noch mal neu über Glaube und Kirche nach.“

Sprecher:
Wer eine Panne mit seinem Fahrzeug hat, kann in Deutschland Pannenhelfer eines Automobilclubs anrufen. Der mitgliederstärkste Club ist der Allgemeine Deutsche Automobilclub ADAC. Die ADAC-Pannenhelfer heißen in der Alltagssprache wegen der gelben Farbe ihrer Fahrzeuge „Gelbe Engel“. Für Mitglieder eines Automobilclubs ist die Pannenhilfe kostenlos, Nicht-Mitglieder müssen dafür zahlen. Viele dieser Nicht-Mitglieder, denen geholfen wurde, entscheiden sich dann – laut Samuel Diekmann – für eine Mitgliedschaft. Dieses Beispiel überträgt er auf „rent-a-pastor“. Hier erhofft man sich eine ähnliche Reaktion, einen ähnlichen Effekt. Wenn die Kunden mit der jeweiligen „Mietpastorin“ oder dem jeweiligen „Mietpastor“ zufrieden sind, könnte mancher neu über den Glauben an Gott und die Institution Kirche nachdenken. Allerdings steht das nicht im Vordergrund. Es schwingt nur mit, ist eine Begleiterscheinung. Hilfreich dabei ist – so Samuel Diekmann –, dass man sich persönlich kennenlernt, einen persönlichen Bezug schafft. Und je überzeugender die „Mietpastorin“ oder der „Mietpastor“ auftritt, umso mehr kann sie oder er punkten, im übertragenen Sinn Punkte sammeln. Und das scheint das Internetportal, das nach eigenen Angaben nur die besten Redner verpflichtet, ganz erfolgreich zu machen. Denn die Zahl derjenigen, die für „rent-a-pastor“ arbeiten, hat sich seit dem Start des Angebots von rund 20 auf etwas mehr als 40 verdoppelt.

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