Wie bringt man vor allem Mädchen dazu, sich für Wissenschaft und Technik zu interessieren? Zum Beispiel mit einer sogenannten „Science- Soap“. Die Universität Rostock hat hier mit „Sturm des Wissens“ Neuland betreten.

Sprecher:
Frauen und Naturwissenschaft – das passt in Deutschland noch nicht unbedingt zusammen. Im Jahr 2011 betrug nach Angaben des Kölner Instituts der Wirtschaft der Anteil der Studentinnen, die ihren ersten Hochschulabschluss in den sogenannten MINT-Fächern machten, etwa 20,5 Prozent. Hinter der Abkürzung MINT verbergen sich die Fachbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Ziel ist es, diese Quote bundesweit weiter zu steigern. Am Institut für Medienforschung der Universität Rostock wurde 2012 eine besondere Idee geboren, um mehr Jugendliche für das Thema Wissenschaft und Technik zu begeistern. In einer Seifenoper, einer leicht verständlichen, unterhaltenden Fernsehserie, sollte das Thema vermittelt werden. Vor der Realisierung mussten allerdings erst einmal die Grundlagen erarbeitet werden. Im Wintersemester 2012/2013 lernten rund 20 Studierende, wie zum Beispiel ein Drehbuch erstellt wird, was das Besondere einer Seifenoper ist und wie Fernsehen als Medium funktioniert. Anschließend verfassten sie eine erste Fassung, eine Rohfassung, und einigten sich auf den Titel „Sturm des Wissens“. Die Rohfassung wurde von der professionellen Autorin Janny Fuchs und vier Co-Autoren überarbeitet. Janny Fuchs erzählt in Kurzform den Inhalt der Geschichte:

Janny Fuchs:
„Nele kommt mit ihrem Vater nach Rostock, lernt also jemanden aus dem Haus kennen, der ihr sehr gut gefällt, trifft ‘ne alte Schulfreundin wieder, kommt in die Bereiche Physik, kommt in die Bereiche Meeresbiologie, und daraus entwickelt sich einfach ‘ne ganz spannende Geschichte, weil es zu klären gilt: Warum geht es der Robbe Henry schlecht?“

Sprecher:
Die Geschichte über familiäre und eigene Berufswünsche, Liebe, Leidenschaft, Intrigen und Bösartigkeiten spielt sich „zwischen Hörsaal, Labor und Strand“ in fünf Folgen ab. Sie dauern jeweils etwa zehn Minuten und sind im Internet zu sehen. Die letzte Folge der ersten Staffel lief im Januar 2014. Die Darsteller sind überwiegend auch Studierende – und zwar Schauspielstudentinnen und -studenten der Rostocker Hochschule für Musik und Theater. Im Juli 2013 wurde geprobt:

O-Ton:
„Es ist irgendwie abends spät – also Vater: ‚Ach und ich dachte schon, ich seh’ dich heut’ gar nicht mehr. Kannst du mir mal bitte erklären, wo du warst? Ich hab’ dich überhaupt nicht erreicht.‘ Tochter: ‚Och, ich war bei ‘ner Freundin‘. Vater: ‚Einer Freundin. Ah ja. Und die studiert wohl zufälligerweise Physik und hat hier auf unserem Küchentisch ihre Bücher vergessen, oder was?‘ [Tochter:] ‚Oh Mann, Papa. Das geht dich gar nichts an. Lass mich einfach in Ruhe‘.“
 
Sprecher:
Nele muss sich gegen ihren Vater durchsetzen, der für sie eine Karriere im Hotelfach sieht, während seine Tochter eigentlich Physik studieren will. Deshalb reagiert sie auch etwas ungehalten mit dem umgangssprachlichen Spruch: „Das geht dich gar nichts an.“ Das bedeutet so viel wie: „Das sollte dich nicht interessieren.“ Die Medienwissenschaftsstudentin Bettina hat am Drehbuch mitgearbeitet. Sie hat auch die Drehorte gefunden, wie beispielsweise das Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde und das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Rostock. Für Bettina stellte sich damals eine große Frage:

Bettina:
„Wie bringt man überhaupt ‚Science‘ in ‘ne Soap? Weil, es ist ja eigentlich n’ bisschen konträr, so Wissenschaft und Seifenoper irgendwie wirklich zu‘nanderzubringen.“

Sprecher:
Bettina ist der Meinung, dass die Bereiche Wissenschaft und Unterhaltung gegensätzlich, konträr, sind. Exakte, wissenschaftliche Vorgänge in unterhaltsamer, vereinfachender Form darzustellen, passt nicht richtig zueinander. Daher musste sich das Team überlegen, wie so eine „Science-Soap“ gestaltet sein sollte, damit sie ihr junges, weibliches Publikum erreicht. Und das, sagt Professorin Elizabeth Prommer, Direktorin des Instituts für Medienforschung, funktioniert heutzutage am besten über Soaps:

Elizabeth Prommer:
„Tatsächlich junge Frauen zwischen 15 und 18 gucken Soap Operas, ‚GZSZ‘, ‚Germanys Next Topmodel‘. Ganz viel bei den jungen Frauen ist ja, dass sie dann sagen: ‚So will ich ja nicht sein, so geht man nicht mit Freundinnen um, wie die Zicke bei ‚Germanys Next Topmodel‘. Und aus diesem Ganzen – sich abgrenzen, sich wiederfinden – puzzeln wir unsere Identität, und das sind eigentlich sehr wertvolle Beiträge. Und wenn wir die Frauen erreichen wollen, dann müssen wir ‘ne Soap machen.“

Sprecher:
Der Titel der Wissenschaftssoap „Sturm des Wissens“ wurde bewusst gewählt. Die Seifenoper „Sturm der Liebe“ läuft seit 2005 im deutschen Fernsehen und wird besonders von jungen Mädchen gern geguckt. Elizabeth Prommer ist der Meinung, dass sich Menschen in den einfachen Geschichten, die scheinbar einen normalen Lebensalltag abbilden, wiederfinden. Das Verhalten der Figuren kommt ihnen bekannt vor. Sie nennt das Beispiel der Castingshow „Germanys Next Topmodel“. Kein Mädchen wolle eine Zicke, eine launische, selbstverliebte, nie zufriedene und schnell beleidigte Frau sein. Durch positive, aber auch negative Identifikationen mit Charakteren und deren Eigenschaften könnten die jugendlichen Mädchen ihr eigenes Selbst, ihre Identität, wie ein Puzzle zusammensetzen. Eine Seifenoper im ursprünglichen Sinn ist „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, kurz GZSZ, die seit 1992 im Fernsehen zu sehen ist. Etwas anders sieht das mit „Germanys Next Topmodel“ aus. Die Show wird zu einer Seifenoper, weil sich die Bewerberinnen während des mehrere Wochen andauernden Auswahlprozesses in verschiedenen Situationen öffentlich darstellen. Elizabeth Prommer sagt, dass sie mit dem Format „Soap“, also einer besonderen Form einer medialen Darstellung, auch ein bestimmtes Ziel verfolgten:

Elizabeth Prommer:
„Also haben wir gedacht, wir schreiben in einem Format, was ihren Rezeptionsgewohnheiten entspricht, die Beispiele rein und zeigen eben: Wir haben hier an der Uni Rostock sehr viele weibliche Professorinnen, wir haben Physikprofessorinnen mit Kindern, ich hab’ selber drei Kinder. ‘Ne Unikarriere widerspricht jetzt nicht der Familiengründung.“

Sprecher:
In naturwissenschaftlichen Berufen fehlt es an weiblichen Vorbildern. Deshalb wollten die Macher der Wissenschaftssoap die Tatsache nutzen, dass das Medium Film besonders bei Jugendlichen eine wichtige Rolle spielt. Sie wollten sich, wie es in der Fachsprache heißt, auf ihre Rezeptionsgewohnheiten einstellen, um eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Und diese ist: Auch Frauen können in wissenschaftlichen Berufen Karriere machen. Professor Uwe Freiherr von Lukas, der Leiter des Rostocker Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung, hatte die Idee für die Serie. Er achtete darauf, dass genug „Wissenschaft“ in der Soap vorkommt. Allerdings war das vom Ansatz her nicht immer einfach, wie er sagt:

Uwe Freiherr von Lukas:
„Es ist im Prinzip so ‘ne Gratwanderung. Ich glaube schon, dass wir einfach auch diese Klischees bedienen müssen, damit das als Format ‚Science-Soap‘ auch attraktiv bleibt. Es gibt Liebe, es gibt Intrigen, aber das Ganze so zu verbinden, dass es dann halt auch bestimmte Charaktere gibt, die dann halt auch ‘n bisschen mehr Tiefgang haben, das ist halt was, was wir dann auch nutzen wollen.“

Sprecher:
Uwe Freiherr von Lukas findet, auch eine Wissenschaftssoap müsse in ihrer Machart und in ihren Themen einer normalen Seifenoper ähneln, es müssten Klischees bedient werden. Bedient sich jemand redensartlich eines Klischees heißt das, dass bestimmte allgemein verbreitete Ansichten über etwas oder über jemanden wiedergegeben werden – egal, ob sie stimmen oder nicht. Bei „Sturm des Wissens“ war es aber wie die Wanderung über einen Grat, die oberste schmale Kante eines Berges. Die Soap sollte ihr Publikum erreichen, durfte aber nicht zu oberflächlich sein, sie musste Tiefgang haben. Umgangssprachlich steht der Begriff aus der Schiffssprache als Synonym für Ernsthaftigkeit. Die Germanistikstudentin Bettina, deren Lieblingsfach in der Schule früher Biologie war, hat mittlerweile auch über die eigene Karriereplanung als Wissenschaftlerin nachgedacht und könnte sich gut vorstellen, in dem Bereich zu arbeiten:

Bettina:
„Warum nicht? Also, ich glaub’ jetzt, wenn ich jetzt mal auf diese Karriereseite springe, die kriegen gutes Geld, die haben schöne Arbeitszeiten, ich glaub’, das ist als Frau gar nicht mal so schlecht.“

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